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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Licht blinkte in rascher Folge, und er hörte eine Stimme. Verstehen Sie mich?
    »Jae?«, fragte Esebian verwundert.
    Ich bin nur noch ein winzig kleiner Teil von ihm , blinkte es. Noch weniger, als eine einzige Zelle Teil Ihres Körpers ist. Und ich bin verletzt. Schwer beschädigt.
    »Aber …«
    Sie brauchen nicht zu sprechen , übermittelten die Laserimpulse. Es ist besser, wenn Sie still bleiben. Niemand soll erfahren, dass wir beide miteinander reden können. Ich stimuliere Ihre ruhenden Kommunikationserweiterungen. Eine kurze Pause. El'Esebian … Sie müssen es verhindern.
    »Was …«, begann er und unterbrach sich. Was muss ich verhindern?, dachte er.
    Den Start des Saatschiffs. Es ist mir gelungen, einen einfachen Crawler in die hiesigen Datensysteme zu schicken. Er wurde wenige Sekunden später entdeckt, konnte mir vor seiner Elimination aber noch Bericht erstatten. Ich weiß, was geschieht. Das Blitzen hörte auf, und diesmal dauerte die Pause mehrere Sekunden. Esebian wagte es nicht, seine Position zu verändern, denn vielleicht konnten ihn die Lasersignale nur hier erreichen, an dieser Stelle. Die Magister haben gewusst, was geschehen würde. Deshalb bin ich hier. Halten Sie das Saatschiff auf, El'Esebian. Es darf die von El'Kalentar und den anderen Erlauchten der Fouracre-Gruppe veränderten Weberlarven nicht ins Filigrannetz bringen. Die Folgen wären katastrophal.
    Für wen?, fragte Esebian in Gedanken. Für die Magister nehme ich an. Die Benommenheit kehrte zurück, und dahinter, verborgen in mentalen Nebelschwaden an den Grenzen seines Bewusstseins, raunten Stimmen. Es waren freundliche Stimmen, die ihn willkommen hießen, und die von ihnen ausgehende Verlockung wurde größer. Genieße deine Unsterblichkeit, komm zu uns und lass alles hinter dir zurück , flüsterte es an den Wurzeln seines Selbst.
    Wir stehen am Scheideweg , teilte ihm die Drohne mit. Ihre Worte waren schwer wie die Last, die Esebian auf seinen Schultern spürte, und in der Stille des großen Ausrüstungsraums schienen sie zusätzliches Gewicht zu gewinnen. Schon vor Jahrtausenden wussten wir, dass dieser Moment kommen würde, und vor einigen Jahrhunderten zeigten sich Einzelheiten. Hier teilt sich der Weg. Einer führt zu Frieden und Weiterentwicklung, der andere in die Katastrophe eines Kriegs gegen die Incera. Sie werden die Genetische Armada zurückbringen, die wir damals besiegt haben. Wenn die Larven ins Filigrannetz gelangen, werden die Transittunnel instabil. Sie haben gesehen, was dann geschieht. Stellen Sie sich vor, wenn Angreifer aus anderen Epochen durch Filigrane kommen. Es wäre das Ende der Hohen Welten und der Tausend Tiefen. Und vermutlich auch der anderen interstellaren Nationen der Milchstraße. Die Incera würden zurückkehren, und die Eherne Garde müsste tausendmal so stark sein wie jetzt, um sie zurückzuschlagen. Wenn die Larven nicht ins Filigrannetz gelangen … Dann bleiben einige wenige Sonnensysteme betroffen, und dort wird sich die Situation bald wieder stabilisieren. Die Magister haben bereits damit begonnen, die Transitfluktuationen einzudämmen.
    Sie wussten, was geschieht, dachte Esebian. Alle wussten, was geschieht, nur ich nicht. Die Situation erschien ihm plötzlich vollkommen absurd. Hier stand er, nicht mehr Esebian, sondern El'Esebian, unsterblich, und sowohl El'Farah als auch die Drohne versuchten ihm klarzumachen, dass er die ganze Zeit über nichts anderes gewesen war als eine Marionette, ein Werkzeug. Ein Teil von ihm hätte sich gern einer solchen Vorstellung hingegeben, denn sie verringerte die Schuld des Mörders, doch wie sollte ein Werkzeug mit vorherbestimmtem Zweck plötzlich die Freiheit haben, eine Entscheidung von der beschriebenen Tragweite zu treffen?
    »Ich weiß von der Wellenfunktion Ihrer algorithmischen Stochastik«, sagte er, während die Benommenheit von ihm abfiel und seine Gedanken durcheinanderwirbelten wie welkes Laub in einem plötzlichen Herbstwind. »Angeblich sind Sie dazu imstande, die Zukunft vorauszusehen, und wie ich hörte, hat sich El'Kalentar schon vor einigen tausend Jahren ein Beispiel an Ihnen genommen. Aber wenn Sie alles so genau erkennen können … Wo bleibt dann die individuelle Entscheidungsfreiheit? Und wenn geschehen wird, was Ihre Berechnungen zeigen: Warum versuchen Sie dann, mich von der Notwendigkeit einer Entscheidung zu überzeugen.«
    Er merkte erst, dass er laut gesprochen hatte, als die Drohne blinkte: Bitte seien Sie leise,

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