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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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blieb so reglos wie in einem Fesselfeld. »Setzen Sie sich wieder, Esebian. So nennen Sie sich hier, nicht wahr? Früher hießen Sie Winford. Damit begann es, nicht wahr? Dann wurden Sie Caleb, Kyrill, Gunder, Dorotheri und Yrthmo, um nur einige Namen zu nennen. Zu Beginn Ihrer ›Karriere‹ sind Sie für kurze Zeit ein gewisser Evan Ten-Ten gewesen, aber dieser Name ließ sich zu den Gemischten Gebieten zurückverfolgen, und deshalb haben Sie ihn nicht lange benutzt. Solche Fehler sind Ihnen seit damals nicht mehr unterlaufen. Über viele Jahre hinweg haben Sie die Unterstützung des Netzwerks genossen, das sich Aurora nennt. Da fällt mir ein … Wie geht es Ihrem Freund Lukas? Hat er noch immer seinen Laden auf Gevedon?«
    Esebian setzte sich wieder und legte wie Tirrhel die Hände auf den Tisch. Zu Anfang seiner Karriere, wenn man sie so nennen durfte, hatte er mehrere Fehler gemacht und mit Lukas' Hilfe aus ihnen gelernt. Aber irgendwann in jüngerer Vergangenheit musste ihm ein anderer Fehler unterlaufen sein, denn sonst wäre dieser Mann kaum in der Lage gewesen, ihn zu finden. Und so viel über ihn zu wissen.
    »Ich schlage vor, wir reden ganz offen miteinander«, sagte der Fremde. »Von den zweihundertdreiundfünfzig Echtjahren Ihres Lebens haben Sie mehr als hundertfünfzig als Auftragskiller verbracht. Das ist, gelinde gesagt, erstaunlich, wenn man bedenkt, dass den Magistern nicht einmal kleine Verstöße gegen die Regeln entgehen, von Kapitalverbrechen dieser Art ganz zu schweigen. Darum bin ich hier. Wir brauchen jemanden wie Sie. Einen Spezialisten, der sein Handwerk versteht.«
    »Tut mir leid. Ich bin Forscher und untersuche das FEK-Syndrom. Der Mann, den Sie suchen, existiert nicht mehr.«
    »Ich bin sicher, Sie haben sein Persönlichkeitsprofil irgendwo gespeichert. Reaktivieren Sie es.«
    »Ich bedauere, aber …«
    »Es soll Ihr Schaden nicht sein, Esebian. Sie helfen uns, und wir helfen Ihnen. Wir sorgen dafür, dass Sie die nötigen Meriten bekommen. Wir ermöglichen Ihnen nicht nur, die achte Stufe zu erreichen und Resident zu werden. Wir öffnen Ihnen die letzte Tür. Unsterblichkeit, Esebian.«
    Ewiges Leben, dachte er.
    »Sie könnten das Ziel schon bald erreichen«, sagte Tirrhel. »El'Esebian. Wie gefällt Ihnen der Klang dieses Namens? Esebian, der Erlauchte …«
    »Nein«, erwiderte Esebian, während etwas in ihm Ja! schreien und die Chance nutzen wollte. »Aufträge dieser Art übernehme ich nicht mehr. Natürlich habe ich unser Gespräch aufgezeichnet.« Er deutete kurz auf Augen und Ohren und meinte die Mikrorecorder darin. »Wenn Sie mit dem Gedanken spielen, sich an die Magister zu wenden …«
    »Sie haben immer noch nicht ganz verstanden. Wir wissen alles über Sie, Esebian. Alles. Wir wissen nicht nur, wen Sie wann für welchen Auftraggeber umgebracht haben – wir kennen auch Ihre Herkunft. Sie kommen aus den Gemischten Gebieten. Früher trugen Sie den Makel in sich. Wenn Sie uns nicht helfen, mein lieber Esebian …«, sagte der Fremde fast im Plauderton. »Dann sorgen wir nicht nur dafür, dass Ihre FEK-Forschungen ohne ein Ergebnis bleiben, das Aufstiegsmeriten rechtfertigen würde. Wir lassen außerdem zu den Magistern durchsickern, wer Sie wirklich sind und woher sie kommen. Und glauben Sie mir: Die Aufzeichnung dieses Gesprächs nützt ihnen herzlich wenig.« Ein kurzes Schulterzucken unterstrich die letzten Worte.
    Damit erreichte der Fremde auf Esebians Gefährlichkeitsskala einen Platz direkt hinter Erlauchten und Magistern.
    »Auf wen haben Sie es abgesehen?«, fragte er aus reiner Neugier und noch immer als kühler Analytiker.
    »Auf einen Bewohner von Taschka.«
    Esebian wölbte die Brauen, als er begriff, was Tirrhel und seine Hintermänner von ihm verlangten: Er sollte einen Erlauchten töten, einen Unsterblichen.

 
2
     
    »In See neun hat die kritische Phase begonnen«, sagte Donaton Rell, der neben dem Situationstisch stand und physisch präsent zu sein schien. »Die Lyonen haben gestern die letzte evolutionäre Konkurrenz eliminiert und heute Morgen das Stadium absoluter Dominanz erreicht. Damit einher ging eine signifikante Lebensverlängerung von dreizehn Komma sieben Prozent über zehn Generationen hinweg. Vor wenigen Minuten hat die elfte Generation Reife erlangt, und es sind erste Anzeichen von Degeneration erkennbar.«
    Esebian ging langsam um den Situationstisch herum, dessen einzelne Darstellungsschichten ihm den aktuellen Entwicklungsstand aller

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