Kinder der Ewigkeit
Wurmloch, wie vom Weber oder vom Filigran geweinte Tränen. Sie waren unterschiedlich groß, kamen nicht nur aus dem Port, sondern auch aus den Hangars großer interplanetarer Transporter. Auf den Ruheliegen hatten sich Passagiere ausgestreckt, Menschen und Angehörige anderer Völker, in manchen nur sechs oder acht, in anderen vierzig oder fünfzig. Die Kapseln krochen durch einen der von Filigran und Weber geschaffenen Tunnel, mit einer Eigengeschwindigkeit von nur wenigen Kilometern pro Sekunde, und doch legten sie mit jedem Atemzug der schlafenden Passagiere viele Lichtjahre zurück. Das Wurmloch war eine Abkürzung durch den Kosmos, eine Verbindung zwischen weit entfernten Orten, über die Grenzen von Raum und Zeit hinweg.
Esebian träumte von Lukas, so wie er damals gewesen war, vor dem Betrug des Kunden, der ihn die Unsterblichkeit gekostet hatte: ein hochgewachsener Mann, etwa vierzig Scheinjahre und fast dreihundert Echtjahre alt, geboren auf Croncost, dem zweiten Planeten des Tagore-Systems. Es war auch die Geburtswelt von Esebian. Später, als sie zu Geschäftspartnern geworden waren, und zu Verbündeten auf dem gerade für sie sehr hindernisreichen Weg zur Unsterblichkeit, schuf dieser Umstand eine ganz besondere Beziehung zwischen ihnen: Croncost befand sich jenseits der Tausend Tiefen und gehörte zu den Gemischten Gebieten; Menschen wie sie bekamen normalerweise keinen Zugang zu den Hohen Welten.
In seinem Traum verließ Esebian als Evan Ten-Ten eine Welt namens Mway, auf der er nach fünf Monaten völlig unnützer Vorbereitungen, wie er zunächst glaubte, seinen siebten Mord begangen hatte. Doch er musste irgendwo einen Fehler gemacht haben, denn mehrere Ethikwächter folgten Evan Ten-Ten durchs Filigran zum Laurole-System. Von Entlarvung und sogar Festnahme bedroht, verwendete er die Hälfte der erworbenen Meriten, um mithilfe eines von Lukas vermittelten unabhängigen Bioingenieurs vom Mann zur Frau zu werden, was ihn bei den Vorbereitungen auf die nächste Therapie um viele Jahre zurückwarf. Evan Ten-Ten verschwand, und Talanna reiste nach Gevedon, um sich dort von Lukas mit neuen Erweiterungen ausstatten zu lassen. Sie hatte auch Sex mit ihm gehabt, aus Dankbarkeit ebenso wie aus Neugier, wodurch die Freundschaft mit ihm um eine Nuance reicher geworden war. Ein Jahr später hatte sie sich auf den Weg nach Hadadd gemacht, wo sie einem Mann namens Benston begegnet war …
Fehler konnten auch da geschehen, wo man glaubte, an alles gedacht zu haben. Wie sorgfältig man auch plante, wie gewissenhaft man den Plan auch ausführte … Es gab immer Lücken und Ritzen, durch die der Zufall kriechen und alles ruinieren konnte.
Etwas störte den Traum, und während Esebian noch schlief, fragte er sich, ob er es bedauern oder dafür dankbar sein sollte.
Die Traumbilder fingen Feuer, und es wurde so heiß, dass Esebian die Augen öffnete.
Flammen leckten durch den vorderen Teil der Kapsel.
Die beiden dortigen Liegen waren zerschmettert, und inmitten der Trümmer lagen zwei Passagiere in ihrem Blut und den zerfetzten Resten ihrer Gliedmaßen. Esebian stellte mit einem Blick fest, dass die Köpfe der Toten nur einige verbrannte Stellen aufwiesen – wenn rechtzeitig Retter kamen, war vermutlich eine Rekonversion möglich.
Er stand auf und aktivierte seine Biofilter, die Augen und Lunge vor giftigen Substanzen im durch die Kapsel wogenden Rauch schützten. Ganz in der Nähe hämmerte es, dort, wo sich das Schott befand, und durch das Fenster daneben erkannte Esebian mit seinen Seherweiterungen in Schutzanzüge gekleidete Gestalten.
Er wankte zur nächsten Liege, zog die reglose Leandra herunter und trug sie in die hintere Ecke der Kapsel, möglichst weit weg von Feuer und Rauch.
Dort hockte er und hielt Leandra wie eine zerbrechliche Puppe in den Armen, als eine Minute später Rettungskräfte das Schott aufbrachen und die havarierte Kapsel betraten.
»Als Arzt rate ich Ihnen, sich vorsorglich untersuchen zu lassen, Konsul.«
»Nein«, sagte Esebian. Er trug den Biomorph unter dem angesengten Hemd, und die drei Gegenstände darin hätten sich bei einer genauen medizinischen Untersuchung kaum verbergen und nur schwer erklären lassen. »Ich bin nicht verletzt.« Das stimmte nicht ganz, aber die ständig in seinem Blutkreislauf zirkulierenden medizinischen Nanomaschinen hatten bereits mit der Reparatur von Zellen begonnen, die an Bord der brennenden Kapsel beschädigt worden waren.
»Was ist
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