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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Eingängen, mit der Absicht, die fünfzig Direktoren des Direktoriats bei ihrer Versammlung zu sehen. Niemand hatte Leandras Worte gehört.
    »Warum siehst du mich so an?«, fragte Leandra verwirrt.
    »Eine einfache junge Frau von Mway, auf dem Weg nach Halechko, um dort zu lernen, die richtigen Fragen zu stellen …« Das Misstrauen senkte sich schwer auf Esebian, und Caleb, tief in seinem Innern, schnaufte zufrieden. »Woher kommen die Worte, die du gerade an mich gerichtet hast, wenn du wirklich so unerfahren bist, wie du behauptest?«
    Etwas huschte durch Leandras Gesicht, etwas, das nicht zu der jungen, unschuldigen Frau passte, und es war nur so kurz wahrnehmbar – nur für wenige Nanosekunden; ohne seine visuellen Erweiterungen, die hier, vor dem Gebäude noch funktionierten, wäre ihm sicher nichts aufgefallen –, dass Esebian sich fragte, ob es nur eine Projektion, das Ergebnis seines Argwohns gewesen war?
    »Wir haben darüber gesprochen«, sagte Leandra. »Erinnerst du dich? Du hast mir alles erklärt, das mit den Magistern und ihrem überlegenen Denken, ihrer superschnellen und hyperkomplexen Kommunikation über viele Lichtjahre hinweg. Du hast mir erklärt, dass sie es sind, die …«
    »Nein.« Esebian schüttelte langsam den Kopf, und wieder nahm er für den Bruchteil eines Moments etwas Sonderbares wahr: Die vielen Besucher um sie herum, Hunderte, vielleicht Tausende, verharrten plötzlich, sie alle, und lauschten, als erwarteten sie von ihm eine wichtige Mitteilung, eine Offenbarung, die ihre Welt erschüttern mochte. Der Moment verflog und hinterließ das mentale Äquivalent eines schalen Geschmacks. »Nein, darüber haben wir nie gesprochen. Ich …«
    Ein klirrendes Geräusch erklang, wie das Läuten einer gläsernen Glocke, und Leandra ergriff Esebians Hand und zog. »Komm. Die Direktoren versammeln sich, und die Eingänge des Gebäudes werden gleich geschlossen.«
    Er ließ sich mitziehen, vorbei an den anderen Besuchern, die das Abzeichen des Konsuls sahen und respektvoll Platz machten. Esebian hatte etwas sagen wollen, aber es war plötzlich nicht mehr wichtig.
     
     
    Sie saßen in einer für Konsuln reservierten Emporiumsloge und schauten hinab auf die von roten Lebensfäden durchzogene kristallene Konferenzmulde, die aussah wie eine offene Hand aus Glas. Leandra staunte mit großen Augen und offenem Mund, als die Stimmen der Unsterblichen und Mächtigen durch die Räume und Emporen des Versammlungszentrums hallten. Fünfzig Männer und Frauen saßen dort unten und waren zusammen fast zweihundertfünfzigtausend Jahre alt. Dreizehn Direktoren hatten mobile Avatare geschickt, einige von ihnen aus stabiler Pseudomaterie, die anderen fleischliche Kopien mit projiziertem Bewusstsein. Neunundzwanzig ließen sich von Lokalavataren vertreten, quantenverschränkt mit ihren Inhabern verbunden und deshalb mit voller Entscheidungsbefugnis ausgestattet. Acht Direktoren waren tatsächlich physisch zugegen, unter ihnen der Vorsitzende des Direktoriats, Seine Exzellenz El'Kalentar, mindestens sechstausendvierhundert Jahre alt.
    Esebian beobachtete den Mann, den er töten sollte. Hoch aufgerichtet stand er am runden Tisch, an dem die Direktoren Platz genommen hatten, und sprach über die jüngsten Entwicklungen beim Hauptfiligran des Granville-Systems. Esebian hörte die Worte, aber sie rauschten an ihm vorbei, während er alle seine Sinne dem Ziel und dessen Aura widmete: ein eindrucksvoller Mann, groß und schlank, im Gesicht trotz des hohen Alters nur einige wenige dünne Falten, das Haar pechschwarz und schulterlang, die Stimme voller Selbstvertrauen – so sprach ein Mann, der sicher war, alle Probleme lösen zu können. In seiner Stirn bemerkte Esebian etwas, das ihm Sorge bereitete, weil er nicht wusste, worum es sich handelte: ein eidechsenartiges Objekt aus kupferrotem, halb organischem Metall. Eine Sondierung war natürlich nicht möglich, denn die Neutralisierungsfelder im Innern des Versammlungszentrums reduzierten das Wirkungspotenzial aller nichtvitalen Erweiterungen praktisch auf null.
    Sein Kommunikationsimplantat wurde aktiv, als sich Esebian noch fragte, was es mit der roten Eidechse auf sich haben mochte. Es empfing keine Nachricht, sondern ein einziges kurzes Signal.
    Die Kopie war fertig und wartete auf ihn.
    Esebian stand auf. »Ich habe noch einige Dinge zu erledigen. Ich übertrage mein Konsulprivileg auf dich; du kannst ohne mich bleiben.«
    »Und die Versammlung des

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