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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Kandidaten reservierten Abteilung.
    Wir haben Glück , sagte Caleb. Wir haben endlich einmal Glück.
    Der Zufall, nie ein Freund und kaum jemals ein Verbündeter, kam Esebian zu Hilfe. Zunächst hatte er geplant, sich auf andere Weise eine Biosignatur vom Präfekten zu beschaffen; dies machte es leichter. Er blickte kurz auf die Facette am Fingernagel des rechten Zeigefingers, wandte sich von den Kommunikationsanschlüssen ab und verließ das Zimmer.
     
     
    Das Geschöpf im Rekonvaleszenztank wurde wieder zu einem Mann. Neue Geschlechtsteile wuchsen dort, wo etwas den Leib aufgerissen hatte, und an der rechten Seite gab es bereits einen neuen Arm, noch dünn und schwach, an mehreren Stellen halb durchsichtig. Milchiges Nährplasma umgab den ganzen Körper, nur das Gesicht ragte daraus hervor, nicht mehr als einen Zentimeter. Rote Flecken zeigten sich darin, vielleicht die Reste von Verbrennungen, und unter den geschlossenen, wimpernlosen Lidern bewegten sich die Augen im REM-Schlaf. Esebian fragte sich, wovon der aus dem Tod ins Leben zurückgekehrte Mann träumte.
    »Was machen Sie hier?«, erklang eine Stimme hinter ihm. »Nur medizinisches Personal hat hier Zutritt.«
    Esebian drehte sich um. Eine Ärztin war aus dem Nebenzimmer gekommen, sehr jung, kaum älter als Leandra, das Gesicht von blonden Locken umrahmt.
    »Bitte entschuldigen Sie«, erwiderte er höflich. »Ich hätte Ihre Erlaubnis einholen sollen. Ich bin Konsul Esebian, Impressionar von Onyeanus.« Lapintas Gedächtnis enthielt entsprechende Daten, von ihm selbst übermittelt. »Ich bin ebenfalls von einem Unfall beim Filigran betroffen und ins Granville-System gekommen, um für Onyeanus meine Eindrücke von den Beratungen des Direktoriats festzuhalten.«
    Die gerunzelte Stirn der jungen Ärztin glättete sich wieder – offenbar fühlte sie sich von der freundlichen und zuvorkommenden Art eines Konsuls geschmeichelt. »Keine audiovisuellen Aufzeichnungen«, sagte sie. »Hier gelten besondere Regeln für den Schutz der Privatsphäre, Konsul.«
    »Natürlich.« Esebian deutete eine Verbeugung an.
    Die Frau nickte zufrieden und kehrte ins Nebenzimmer zurück.
    Wann hatte auf diesem Planeten – oder in diesem Teil des Direktoriats – jemals ein Kandidat einem anderen Schaden zugefügt, noch dazu ein Konsul einem Residenten? Warum auf dem Weg zur Unsterblichkeit Rückstufungen oder Schlimmeres riskieren? Für die Ärztin gab es nicht mehr zu befürchten als eine Verletzung der Privatsphäre ihres Patienten, und der Besucher – ein Konsul! – hatte ihr ausdrücklich versprochen, die Regeln zu achten.
    Esebian wandte sich wieder dem Rekonvaleszenztank zu und beugte sich vor. Genau in diesem Augenblick hob Akir Tahlon die Lider, und Esebian blickte in die Augen eines Mannes, der tot gewesen war. Was hatten diese Augen erblickt auf der anderen Seite der dünnen Linie, die das Leben vom Tod trennte?
    Eine halbe Sekunde genügte …
    Esebian streckte die rechte Hand aus und berührte den Genesenden an der Wange, unter einem der roten Flecken. Die Lippen des rekonvertierten Akir Tahlon bewegten sich, und er schien etwas sagen zu wollen, aber es wurde nur ein Krächzen daraus. Eine halbe Sekunde. Oder drei oder vier für latente Erinnerungen, hatte Lukas gesagt.
    Die Facette des rechten Fingernagels blieb ein wenig länger an der Haut. Dann zog Esebian die Hand zurück, drehte sich um und ging.

 
16
     
    »Dies ist für einige Tage das Zentrum der Macht des Direktoriats«, sagte Esebian und deutete zur Gläsernen Stadt: Appaia, glitzernde Pracht im Licht einer gelben Sonne, umgeben von den ockerfarbenen Wüsten des großen weiten Trockenlands, in dem, aus einer niedrigen Umlaufbahn gesehen, Oasen kleine grüne Flecken bildeten. »Fünfzig Direktoren treffen sich hier, und einige von ihnen erscheinen sogar persönlich.«
    »Aber liegt die eigentliche Macht nicht bei den Magistern?«, fragte Leandra.
    Die Worte überraschten Esebian so sehr, dass er stehen blieb, mitten im Strom der vielen Besucher, die zu den Eingängen eines Gebäudes unterwegs waren, das wie aus Dutzenden von kristallenen Kugeln zusammengesetzt wirkte.
    »Sie bestimmen die Regeln«, fügte Leandra hinzu. »Sie sind die Intelligenz hinter den Maschinen, die alles produzieren und konstruieren. Die Direktoren können entscheiden, was sie wollen, doch ohne die Magister geht gar nichts.«
    Menschen und Angehörige anderer Völker, Sterbliche und Kandidaten, gingen an ihnen vorbei zu den

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