Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
jenseits des Lichts der chemischen Lampe bewegten.
    »Ich komme … aus den Gemischten Gebieten«, sagte sie leise. »Wie du. Ich habe es in deinen Gedanken gesehen. Vielleicht sollten wir uns gegenseitig die Wahrheit sagen.«
    Etwas in Esebian erstarrte, und er überraschte sich dabei, wie er nach den Stimmen Calebs und der anderen lauschte, als wünschte er sich Rat. Aber sie schwiegen hier an diesem Ort, ebenso wie in der Wüste seines Alptraums. Wie viel hatte Leandra in seinen Gedanken und Erinnerungen gesehen? Er trug einen Mentalblocker in der Großhirnrinde, der ihn vor Telepathen und den quasitelepathischen Sondierungen intelligenter Maschinen schützte, und selbst wenn er jetzt nicht mehr so funktionierte wie vorgesehen: Er musste im Filigranport bei ihrer ersten Begegnung ebenso aktiv gewesen sein wie bei Lukas auf Gevedon, und trotzdem hatte sich Leandra in sein sicheres geistiges Haus geschlichen.
    Wie viel hatte sie dort gesehen?
    Ein Flüstern kam aus seinen Tiefen, die derzeit ebenso finster waren wie die entlegenen Winkel der Höhle. Du musst sie töten.
    Nein, dachte Esebian und fragte sich im gleichen Moment, ob es sein eigener Gedanke war. Leandra saß still da, die Schultern gebeugt, der Kopf gesenkt, ein Häufchen Elend. So sah es aus. Aber stimmte es? Oder war das, was er sah, ebenso falsch wie alles andere?
    Sie ist die einzige lebende Person – abgesehen von Lukas –, die weiß, wer du bist , raunte Caleb. Und sie ist eine Zeugin. Wenn sie von Observanten oder gar einer Magisterdrohne vernommen wird …
    Esebian erinnerte sich an die … Vision? War es eine Vision gewesen, ein Blick in die Zukunft? Und woher waren die Bilder gekommen? Von keiner seiner Erweiterungen, so viel stand fest.
    Er beobachtete Leandra mit neuem Interesse, und gleichzeitig beobachtete er sich selbst mit wachsendem Argwohn. Wie weit konnte er noch seinen Wahrnehmungen und Überlegungen trauen? Wo begann die mentale Manipulation, wo hörte sie auf?
    Die Observanten wissen Bescheid, erwiderte Esebian und staunte ein wenig darüber, dass er Caleb diese Antwort geben musste. Wusste er es nicht? Wir sind entlarvt. Leandras Aussage würde überhaupt keine Rolle spielen.
    Du musst sie töten , beharrte Caleb. Sie ist eine Gefahr für uns. Sie könnte uns beeinflussen, ohne dass wir es merken.
    In Tirrhels Diensten stand sie nicht, das dürfte inzwischen klar sein, entgegnete Esebian.
    »Starr mich nicht so an«, sagte Leandra, die inzwischen den Kopf gehoben hatte. »Du machst mir Angst.«
    Hier gibt es keine Observanten , drängte Caleb. Hier gibt es niemanden, der dich daran hindern könnte. Die dunkle Höhle ist ein geeigneter Ort. Töte sie.
    Die Worte waren dumm, fand Esebian. Sie waren nicht allein. Xiri befanden sich in der Nähe – er versuchte sich daran zu erinnern, wer oder was Xiri waren –, und die Höhle war kein guter Ort, denn sie schränkte die Fluchtmöglichkeiten ein. Und doch beharrte Caleb: Töte sie.
    Sei still, sagte Esebian. Lass mich nachdenken.
    Und dies war eine weitere Überraschung: Caleb schwieg tatsächlich.
    »In der Villa …«, sagte er langsam. »Ich hatte dir gesagt, dass du im Versammlungszentrum auf mich warten sollst.«
    »Ich … habe mich allein gefühlt.«
    »Der Transferitor im Pavillon war blockiert. Tirrhel hat sich mit seinem externen Noder einen Transferpfad offen gehalten. Und es standen keine Fahrzeuge in der Nähe. Du hast den Transferitor nicht benutzt, oder?«
    »Nein, ich …« Leandra sprach nicht weiter.
    »Was hast du mit Tirrhel gemacht?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst. Bitte, Esebian …«
    »Was hast du mit ihm gemacht?«, wiederholte er schärfer. Die chemische Lampe schien auf seine Stimme zu reagieren; ihr Licht flackerte kurz. »Als die Tür aufging, als du geschrien hast, ohne dass ich etwas gehört habe … Tirrhel hat seine Waffe auf mich gerichtet, aber etwas hinderte ihn daran, den Auslöser zu betätigen. Ich habe es gesehen. Ich habe gesehen, wie sich sein Finger darum krümmte.«
    »Ich wollte nicht, dass er dich tötet!«, platzte es aus Leandra. »Ich meine, dann wäre ich wieder allein gewesen!«
    Sie hat mir zweimal das Leben gerettet, dachte Esebian. Ohne sie hätte Tirrhel mich erledigt.
    »Er war gar nicht persönlich präsent«, sagte Esebian. Er sah Leandra an, während er sprach, aber seine Worte galten ihm selbst. Sie halfen ihm dabei zu verstehen. »Du hast einen Avatar daran gehindert, auf mich zu schießen. Der Wille, der hinter dem

Weitere Kostenlose Bücher