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Kinder der Ewigkeit

Kinder der Ewigkeit

Titel: Kinder der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Brandhorst
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eingefallen ihre Gesichter und trüb die Augen – und verließ das Zimmer. Ayanne unterbrach ihre unruhige Wanderung durchs Wohnzimmer, als er die Treppe herunterkam. Ihr dunkles Haar glänzte im flackernden Licht des Feuers.
    »Was ist?«, fragte sie mit rauer Stimme. »Was hat er gesagt?«
    »Er untersucht sie noch.«
    Winford trat näher und wollte Ayanne umarmen, aber sie wandte sich von ihm ab, und das schmerzte fast ebenso wie der Anblick der kleinen eingefallenen Gesichter.
    »Es wird alles gut«, sagte er und dachte daran, dass seine Frau und er die gleiche Behandlung hinter sich hatten.
    »Das hast du auch gestern gesagt. Und heute Morgen, als das Fieber begann. Aber es geht ihnen nicht besser, sondern schlechter.«
    Ayanne setzte ihre unruhige Wanderung fort, während Winford am Feuer stand, das Knistern der Flammen hörte und nach Worten suchte, um ihr zu sagen, wie leid es ihm tat, alles. Aber Worte erschienen ihm mehr denn je unzureichend, und er wagte es nicht, die neuen, vor kurzer Zeit implantierten Kommunikationserweiterungen zu benutzen, mit denen sich mehr vermitteln ließ als mit Worten. Dies war kein geeigneter Moment dafür.
    Nach einigen Minuten kam ein Geräusch von oben, vielleicht ein Knarren von einer Variform-Komponente, vielleicht ein leichtes Schluchzen, und Ayanne sauste die Treppe hoch. Als sie nach einer gefühlten Stunde – in Wirklichkeit nur achtzig oder hundert Sekunden – wieder erschien, in Begleitung des Arztes, wirkte sie wie geschrumpft.
    »Wer war der Korrektor?«, fragte der Arzt.
    Winford zögerte.
    »Ich weiß Bescheid«, sagte der Arzt. »Und nein, ich fühle mich nicht den Magistern verpflichtet.« Etwas leiser fügte er hinzu: »Ich komme selbst aus den Gemischten Gebieten.«
    »Mandap Justian«, antwortete Winford. »Er wurde mir empfohlen. Wir sind noch nicht lange hier, erst einen Monat.«
    »Justian.« Der Arzt atmete tief durch. »Wie viele Meriten hat er von Ihnen bekommen?«
    Winford zögerte erneut.
    »Es waren zu viele«, sagte der Arzt, ohne dass Winford eine Zahl genannt hatte. »Er hat gepfuscht. Der Makel ist weg, ja, aber in der erweiterten DNS sind Gene aktiv geworden, die bisher geruht haben, und als Resultat davon spielt das Immunsystem verrückt. Ich habe beiden einen Schwarm Nanomaschinen injiziert, die jedoch nur über eine allgemeine Programmierung verfügen. Ich weiß nicht, ob sie genügen, um den Schaden zu beheben.«
    »Wie lautet Ihre Prognose?«
    Der Mann zuckte die Schultern in der dicken Jacke. »Ich kann Ihnen keine geben, dafür aber eine Empfehlung. Bringen Sie Ihre Kinder nach Bussani. Dort gibt es Fachleute und geeignete Geräte, und ich bin sicher, dass sie Ihren Kindern helfen können.« Er ging zur Tür, öffnete sie und winkte ab, als Winford ihm folgen wollte. »Ich fliege allein und schicke den Springer zurück. Er kennt den Weg.«
    Er trat nach draußen in den fallenden Schnee und schloss die Tür hinter sich. Kurz darauf hörten sie das Summen des Atmosphärenspringers, und wenige Sekunden später herrschte wieder Stille, bis auf das leise Knistern des Feuers im Kamin.
    »Ich ziehe die Kinder an und packe eine Tasche mit allen nötigen Dingen«, sagte Ayanne.
    »Nein.« Winford ging zum Kamin und streckte die Hände dem Feuer entgegen, aber die Kälte wollte nicht aus ihm weichen. »Sie bekämen eine Chromosomenmarkierung.«
    »Willst du sie sterben lassen?«, fragte Ayanne mit einer Ruhe, hinter der tiefe Trauer lag. Sie stand an der Treppe, wartete dort darauf, dass er den Kopf schüttelte oder schlicht Nein sagte.
    »Das ist es ja gerade«, erwiderte Winford, sah ins Feuer und beobachtete die züngelnden Flammen. »Ich will, dass sie leben, als Kinder der Ewigkeit. Wenn wir sie nach Bussani bringen, Ayanne … Damit verurteilen wir sie zum Tod. Sie bekämen die Markierung und könnten nie Kandidaten werden.«
    »Und wenn sie noch heute Nacht sterben?«
    Winford drehte den Kopf und sah sie an. Er wäre gern zu ihr gegangen, um sie zu umarmen und zu trösten, aber er wusste, dass sie sich erneut von ihm abgewandt hätte. »Die Nanomaschinen helfen ihnen bestimmt, du wirst sehen.«
    Ayanne ging ohne ein weiteres Wort die Treppe hoch, und Winford sank, kalt bis in die Knochen, vor dem Feuer in einen Sessel. Eine Zeit lang beobachtete er das Spiel der Flammen, und schließlich nickte er ein, von Erschöpfung übermannt. Spät in der Nacht erwachte er einmal, als draußen Wind heulte, und während er noch überlegte, ob er nach

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