Kinder Des Nebels
nachdenklich, »historisch gesehen ist eine eigene große Streitmacht die beste Art, mit einer fremden großen Streitmacht fertigzuwerden. Wir sollen für Yeden eine Armee aufstellen - warum lassen wir sie nicht die Garnison angreifen? Ist das nicht überhaupt der Sinn dieser Armee?«
»Das wird nicht gehen, Hammond«, sagte Weher. Er betrachtete seinen leeren Weinbecher und streckte ihn dem Jungen entgegen, der neben Keuler saß und ihm sofort nachschenkte.
»Wenn wir die Garnison besiegen wollen«, fuhr Weher fort, »dann muss unsere eigene Streitmacht mindestens genauso groß sein. Am besten hätten wir eine noch viel größere, denn unsere Männer werden gerade erst ausgebildet worden sein und haben kaum Erfahrung. Wir sind vielleicht in der Lage, für Yeden eine Armee auszuheben, und möglicherweise ist sie sogar groß genug, um die Stadt für eine Weile zu halten. Aber wird sie auch groß genug sein, um die Garnison innerhalb der Festung zu halten? Wenn das unser Plan sein sollte, dann können wir gleich aufgeben.«
Die Gruppe verstummte. Vin wand sich in ihrem Sessel und sah jeden der Männer der Reihe nach an. Wehers Worte zeigten große Wirkung. Hamm öffnete den Mund und wollte etwas sagen, doch dann schloss er ihn wieder, lehnte sich zurück und dachte nach.
»In Ordnung«, sagte Kelsier schließlich. »Wir kommen gleich zur Garnison zurück. Sehen wir uns vorher einmal unsere eigene Armee an. Wie können wir ein Heer von beträchtlicher Größe zusammenstellen und es gleichzeitig vor dem Obersten Herrscher verbergen?«
»Auch das wird schwierig sein«, sagte Weher. »Es hat einen guten Grund, warum sich der Oberste Herrscher im Zentralen Dominium so sicher fühlt. Auf den Straßen und Kanälen wird unablässig patrouilliert, und man kann kaum einen Tag lang reisen, ohne auf ein Dorf oder eine Plantage zu stoßen. An einem solchen Ort kann man keine Armee aufstellen, ohne Aufmerksamkeit zu erregen.«
»Die Rebellen haben Höhlen im Norden«, sagte Docksohn. »Vielleicht könnten wir einige der Männer dort verstecken.«
Yeden wurde blass.
»Ihr
kennt die Höhlen von Arguois?«
Kelsier rollte mit den Augen. »Sogar der Oberste Herrscher kennt sie, Yeden. Die Rebellen dort sind bloß so ungefährlich, dass er sich mit ihnen noch nicht abgegeben hat.«
»Wie viele Leute hast du, Yeden?«, fragte Hamm. »In Luthadel und Umgebung, die Höhlen eingerechnet? Womit können wir rechnen?«
Yeden zuckte die Achseln. »Vielleicht dreihundert - einschließlich Frauen und Kindern.«
»Und wieviele könnten sich deiner Meinung nach in den Höhlen verstecken?«, fragte Hamm.
Wieder zuckte Yeden die Achseln.
»Auf alle Fälle können sie eine viel größere Anzahl aufnehmen«, betonte Kelsier. »Vielleicht zehntausend. Ich bin in den Höhlen gewesen. Die Rebellen verstecken schon seit Jahren Leute in ihnen, und der Oberste Herrscher hat sich nie die Mühe gemacht, sie zu zerstören.«
»Den Grund dafür kann ich mir vorstellen«, meinte Hamm. »Höhlenkämpfe sind sehr unangenehm, vor allem für den Angreifer. Der Oberste Herrscher möchte die Zahl seiner Niederlagen gering halten, und sei es nur um seiner Eitelkeit willen. Wie dem auch sei, zehntausend ist eine gute Zahl. Damit könnte man ohne weiteres den Palast besetzen und vielleicht sogar die Stadt halten, wenn man die Kontrolle über die Mauern hat.«
Docksohn wandte sich an Yeden. »Als du uns um eine Armee gebeten hast, an wieviele Männer hast du da gedacht?«
»Ich vermute, zehntausend wären in Ordnung«, antwortete Yeden. »Eigentlich ... ist das sogar etwas mehr, als ich im Sinn hatte.«
Weher tippte leicht gegen seinen Becher und wirbelte den Wein darin umher. »Ich hasse es, wieder einmal etwas einwenden zu müssen - das ist eigentlich Hammonds Aufgabe -, aber ich muss zu unserem vorherigen Problem zurückkehren. Zehntausend Männer. Das würde der Garnison nicht einmal ein bisschen Angst machen. Wir reden hier von etwa zwanzigtausend gut bewaffneten und hervorragend ausgebildeten Soldaten.«
»Er hat nicht ganz Unrecht, Kell«, stimmte Docksohn ihm zu. Irgendwo hatte er ein kleines Blankobuch gefunden und machte sich Notizen über die Besprechung.
Kelsier runzelte die Stirn.
Hamm nickte. »Wie man es auch betrachtet, Kell, diese Garnison ist ein harter Knochen. Vielleicht sollten wir uns ganz auf den Adel konzentrieren. Möglicherweise gelingt es uns ja, so viel Chaos zu schaffen, dass auch die Garnison keine Ordnung mehr herstellen
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