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Kinderstation

Kinderstation

Titel: Kinderstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sogar entschlossen, Sandru doch zu heiraten und mitzugehen nach Indien. Was soll's, dachte sie. Vielleicht gewöhnt man sich daran, wie ja vieles, wenn nicht alles im Leben Gewohnheit ist. Zärtlich kann er sein, gut sieht er aus, und seine braune Haut wird sich auch ertragen lassen, so wie ich sie in den ersten Wochen unserer Liebschaft ja auch nicht gesehen habe, sondern nur ihn, den Mann, den Eroberer meines Körpers. Und es war mir völlig gleichgültig, ob er weiß, schwarz oder gelb war. Selbst violett hätte ich nicht gemerkt –
    Um so größer waren ihre Enttäuschung und ihr innerer Zusammenbruch, der sich aus Entsetzen und grenzenloser Verlassenheit zusammensetzte, als sie bei ihrer Rückkehr in die Klinik ›Bethlehem‹ erfuhr, daß Dr. Sandru Petschawar in der Zwischenzeit gekündigt und nach Indien zurückgekehrt sei. Frühzeitig. Heimweh hatte er angegeben. Heimweh.
    »So ein Lump!« schrie sie in ihrer kleinen Wohnung die Wände an. »So ein Schuft! So ein asiatisches Schwein!« Sie hieb in ohnmächtiger Wut in die Kissen, zerfetzte das Bild Sandrus, das in einem Lederrahmen auf dem Nachttisch stand, und zertrat das Glas mit stampfenden Füßen, bis es pulverisiert war. Dann weinte sie und hatte einige Augenblicke große Lust, sich selbst zu töten. Mit Gas oder mit Gift, durch das Durchschneiden der Pulsader oder durch einen Sprung aus dem Fenster.
    Aber auch die höchste Verzweiflung ging vorbei. Nach einer durchweinten und durchtobten Nacht kam die große Nüchternheit über sie, der ›reale Medizinerverstand‹, wie Prof. Karchow bei Lehrgängen von seinen Schwestern immer plädierte.
    Es ist nicht zu ändern, dachte Karin Degen. Das Kind wird geboren werden … aber damit ich leben kann, darf es nicht länger atmen als bis zur Abnabelung. Und keiner soll es sehen – weder meinen Zustand vorher, noch das Kind hinterher. Ich werde mich schnüren und in Korsetts pressen, und wenn mir die Luft dabei ausgeht. Und essen werde ich, in aller Öffentlichkeit Berge von Lebensmitteln verschlingen. Wen wird es wundern, daß die kleine Schwester Karin dicker und dicker wird und rund wie ein Tönnchen? Veranlagung, werde ich sagen. Meine Mutter wog auch 220 Pfund. Was kann ich dafür? Lacht mich ruhig aus –
    In der Klinik bedauerte man Karin nicht, daß Dr. Petschawar plötzlich seinem Heimweh erlegen war. Man gönnte es ihr. Vor allem die Nonnen lächelten mit jener übersonnten Beschaulichkeit, die dem damit Betroffenen das Gefühl der Explosion verleiht. Für sie war die Liebe Karins zu dem Farbigen etwas Verbotenes gewesen, ein Verrat an Gott, denn Karin war katholisch getauft, und Dr. Sandru war ein Hindu. Nun war er weg, ab zu seinen vielgliedrigen Göttern, von denen die Göttin der Fruchtbarkeit sogar über hundert Brüste haben sollte. Und selbst Prof. Karchow spielte bei einer Visite auf Karins Station in seiner bekannten Art darauf an, indem er sagte: »Was ein richtiger Mann ist, dem sind hundert lieber als zwei.« Und alle Ärzte hinter ihm grinsten breit. Ein Chefwitz ist doch ein wahres Teufelsding.
    Warum Sandru gegangen war, wußte eigentlich niemand. Die Anspielungen auf seine Hautfarbe konnten nicht der Grund sein, zumindest verstand Karchow das nicht. »Ich würde mich doch nie beleidigt fühlen«, sagte er einmal zu Oberarzt Dr. Julius, »wenn mich einer ›Du Weißer‹ nennt. Wie kann es da abträglich sein, wenn man sagt ›Du Schwarzer‹?«
    »Die Farbigen haben Komplexe, Herr Professor«, sagte Dr. Julius vorsichtig.
    »Dummheit! Warum denn?«
    »Weil wir Weißen ihnen seit Jahrhunderten immer gesagt haben, sie seien minderwertig. Was man hundert Jahre lang gesät und wachsen gelassen hat, kann man nicht mit einem Axthieb umlegen. Darum tragen die Negerinnen der gehobenen Kreise jetzt langhaarige Perücken, darum lassen die Asiaten die Lidfalte korrigieren. Ich glaube, Dr. Sandru ist gegangen, weil er sich einsam fühlte unter uns so bewußt weißen Menschen.«
    »Soll das ein Vorwurf sein?« brauste Prof. Karchow auf. »Ich habe ihn behandelt wie jeden anderen jungen Arzt auch.«
    Dr. Julius schwieg. Das ist es eben, dachte er für sich. Ein intellektueller Farbiger wird es nie verstehen, daß für einen deutschen Ordinarius die jungen Ärzte dumme Hampelmänner sind, die man gar nicht anredet, sondern nur über dem Umweg über den Oberarzt anspricht. Er wird auch nie verstehen, daß ein junger Arzt nie und nimmer recht hat, auch wenn er recht hat, denn das Recht ist immer auf

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