Kinderstation
Professor.«
»Was ist vorgefallen? Vorehelicher Streit? Ein anderes Weib? Gestehen Sie, Julius. Sie wissen, ich bin nicht nur Ihr Chef, sondern auch Ihre Amme!«
»Renate ist auf Lisa Heintel eifersüchtig.«
»Das ist ja wohl der Gipfel der Blödheit«, rief Karchow.
»Sagen Sie das einmal einer eifersüchtigen Frau. Ihr Gehirn ist für Argumente nicht mehr zugänglich.«
»Was machen Sie denn mit der Heintel?«
»Nichts. Ich konstruiere mit ihr einen neuen Apparat zur völligen Stillegung von Frakturen der Extremitäten.«
»Aha!« Prof. Karchow legte den Kopf zur Seite. »Wie wäre es, wenn Sie diese Forschungen etwas abstoppten?«
»Einer dummen Eifersucht wegen? Nein.«
»Sie sind ein Dickkopf, wissen Sie das?«
Dr. Julius lächelte schwach. »Das habe ich von meiner Amme –«
Karchow verzog das Gesicht. Er hatte eine Schwäche für Julius. Nicht allein wegen seiner ungeheuren Begabung als Arzt und Chirurg, auch menschlich mochte er ihn. Allerdings hatten sie sich in den Jahren ihrer Bekanntschaft und gemeinsamen Tätigkeit an der Klinik ›Bethlehem‹ zusammengerauft. Das erste halbe Jahr ihrer Zusammenarbeit war grausam … Prof. Karchow kämpfte um seinen Anspruch als unumschränkter Herrscher der Klinik, als König in seinem Reich, und dieser Oberarzt Dr. Julius kümmerte sich herzlich wenig um die bissigen und oft beleidigenden Bemerkungen seines Chefs, sondern lächelte Karchow nur an, wenn dieser tobte oder in seiner eiskalten Art Sarkasmen von sich gab. Den Höhepunkt erreichte der Kampf bei einer Operation, wo Dr. Julius seinen Chef, der ihm assistierte, anfuhr, er sollte besser abklammern. Prof. Karchow hatte daraufhin alle Instrumente auf den Fliesenboden des OPs geschleudert und den Operationssaal verlassen. Ruhig, als sei nichts vorgefallen, beendete Julius den Eingriff allein.
Zwei Stunden später stand er Prof. Karchow gegenüber und sagte in seiner nüchternen Art: »Der Junge ist gerettet. Er wird trotzdem weiterleben.«
Dieses ›trotzdem‹ warf Karchow um. Er hatte Dr. Julius einen Platz angeboten und gesagt: »Lieber Julius, der Klügere gibt nach. Seien wir uns einig, daß ich der Klügere bin.«
»Ich habe das nie bezweifelt, Herr Professor«, hatte Julius geantwortet. Und so wurde eine Kameradschaft auf Biegen und Brechen.
»Was soll denn nun werden, Julius?« fragte Karchow jetzt.
»Wenn Renate gekündigt hat, lassen Sie sie gehen.«
»Und Ihre Heirat?«
»Ich betrachte eine Ehe als eine Gemeinschaft gegenseitigen Vertrauens. Wenn diese Grundlage nicht gegeben ist –«
»Sie sind ein nüchterner Bursche, Julius! Sie lieben doch Renate?«
»Ja, Herr Professor.«
»Zum Teufel noch mal! Dann nehmen Sie mal den Kopf untern Arm und latschen zu ihr hin. Legen Sie sich neben sie ins Bett – das weitere kommt zwangsläufig, und alles ist in Butter!«
»Nein, Herr Professor.« Dr. Julius saß steif in einem der tiefen Ledersessel. »Es wäre irgendwie das Eingeständnis einer Schuld. Aber ich habe nichts zu bekennen.«
»Wir Männer sind immer die Schuldigen, das müssen Sie sich merken! Frauen haben eine Begabung, Unlogik als unangreifbare Beweise unserer Schuld zu modellieren! Das beste ist dann … kleinbeigeben, Blumen und Geschenke kaufen oder – in Ihrem Alter – ins Bett!« Prof. Karchow nahm seine Brille ab und putzte die Gläser mit einem kleinen, wildledernen Lappen. »Ich nehme an, daß Dr. Vosshardt übermorgen wieder fit ist.«
»Ich gehe nicht zu ihr, Herr Professor.«
»Und ein Ersatz? Haben Sie einen Ersatz?«
»Dr. Solbach wird die Station mit übernehmen, bis eine neue Kollegin oder ein Kollege eingetreten ist.«
»Und ich soll die Kündigung wirklich annehmen?«
»Ja.«
»Das bedeutet das Ende Ihrer Verlobung, Julius.«
»Ich weiß, Herr Professor. Aber ich möchte feststellen, daß nicht ich gekündigt habe.«
»Welch ein Affentheater!« Karchow setzte die Brille auf und schlug die Hände zusammen. »Lauter unreifes Obst! Immer mit 'nem dicken Kopp! Und dabei ist das Leben so kurz und sollte zu jeder Minute genossen werden! Julius, Sie sturer Bock, geben Sie doch einmal nach! Renate wartet sicherlich auf Sie! Ich kenne die Frauen, ich bin ein alter Praktiker. Von der Sekunde an, wo Sie bei ihr klingeln, sind Sie der Sieger!«
Es nutzte alles nichts. Prof. Karchow gab es nach einigen Minuten auf. Er rief die Verwaltung an und gab seine Genehmigung, die Kündigung von Dr. Renate Vosshardt anzunehmen. Seufzend legte er dann den Hörer
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