King City: Stadt des Verbrechens (German Edition)
in Plastiktüten gestopft, die sie meist mit rostigen Einkaufswagen durch die Gegend schoben. Wie Eulen starrten sie ihn aus den Schatten der verlassenen Gebäude heraus an.
Einige Geschäfte in der Straße hatten noch geöffnet. Alle ihre Fenster waren vergittert. Ein Friseur, ein kleiner Einkaufsladen, eine Hellseherin, ein Schuster und ein Schalter, an dem man Schecks einwechseln konnte.
Drei Nutten standen lustlos vor dem Geldschalter, in der Hoffnung, dass es ihnen gelang, jemandem einen Teil seines Gehaltsschecks abzunehmen, bevor er das Geld in den Einkaufsladen trug. Oder sie arbeiteten für den Mann hinter dem Schalter, der zumindest ein wenig von dem Bargeld zurückhaben wollte, das er auszahlte, bevor es auf Nimmerwiedersehen durch die Tür verschwand. Vielleicht war es auch ein bisschen von beidem.
Ein Cadillac Escalade, der mit gebrauchten Chromteilen verziert war, kam Wade entgegen und wurde extra langsamer, damit der Mann hinter dem Steuer ihn sich genau ansehen konnte.
Er war indianischer Abstammung, vielleicht Mitte zwanzig. Er trug ein Muskelshirt, sodass sowohl seine Tätowierungen als auch sein auf dem Gefängnishof antrainierter Bizeps gut zu erkennenwaren. Seine Augen wirkten kalt und ausdruckslos wie die eines Hais. Er musste Stunden vor dem Spiegel zugebracht haben, um diesen Blick einzuüben.
Der Escalade fuhr weiter, genau wie Wade.
Die neue Polizeiwache lag an der Ecke von Arness Avenue und Division Street, in einem Laden, in dem sich zuvor eine Porno-Videothek befunden hatte. Das Schild mit der Aufschrift »Superheiße XXX-Treme-Filme« hing immer noch über der Tür.
Langsam fuhr Wade an dem einstöckigen Backsteingebäude vorbei. Wenn er die Augen zusammenkniff, konnte er den Schriftzug »Polizei King City« erkennen, der erst kürzlich in kleinen goldenen Buchstaben auf die gläserne Eingangstür aufgebracht worden war. Direkt über einem Schlitz für die DVD-Rückgabe, über dem man in großer weißer Schrift lesen konnte: »War es gut für dich? Dann komm doch mal wieder vorbei«.
Wade bog in die Arness Avenue ein.
Hinter dem Gebäude umschloss ein neuer Maschendrahtzaun mit NATO-Draht auf der Krone einen kleinen Parkplatz, auf dem nebeneinander drei verbeulte, zerkratzte und ziemlich verdreckte schwarzweiß lackierte Crown-Vic-Streifenwagen abgestellt waren. Neben einem überquellenden Müllcontainer lag ein Haufen kaputter DVD-Regale. Einige sahen aus, als hätte man sie angezündet. Eine dicke Kette und ein großes Vorhängeschloss sicherten das Tor.
Wade drehte wieder um und parkte hinter einem alten Buick, von dem der rostige Lack bereits herunterrieselte.
Ein Mann mit der Figur einer Birne und ungefähr Mitte fünfzig wuchtete sich aus der Rostlaube. Er trug eine Kappe der Fabrik, die bereits vor fünfzehn Jahren geschlossen worden war, und hatte einen Zigarrenstummel im Mund, der aussah, als habe er genauso lange darauf herumgekaut. An seinem Gürtel hing ein Ring mit ungefähr hundert Schlüsseln an einer ausziehbaren Kette, der seine Hosen bis tief unter seinen wabernden Bauch zog, der nur knapp von einem übergroßen Hawaiihemd bedeckt wurde.
Wade stieg aus dem Wagen und ging dem Mann entgegen.
»Mr Claggett? Ich bin Tom Wade.« Er streckte ihm die Hand entgegen, aber Claggett ergriff sie nicht.
»Es ist okay, wenn ich meinen Laden an die Cops vermiete. Jeder begreift, dass man irgendwie seine Brötchen verdienen muss. Es ist allerdings etwas völlig anderes, wenn die Leute glauben, wir würden uns kennen«, erklärte er.
Wade sah an Claggett vorbei auf die Straße. Der Escalade hatte gewendet und stand mit laufendem Motor an der nächsten Ecke, während der Fahrer sie beide beobachtete. Genau wie die Nutten. Selbst die Obdachlosen spähten vorsichtig aus ihren Nischen.
»Wäre es es Ihnen lieber, wenn die Polizei nicht hier wäre?«
»Was ich denke, ist egal. Sie bleiben sowieso nicht lange«, erwiderte Claggett und ging zur Tür. Bei jedem Schritt klapperten seine Schlüssel. »Das Ganze ist ein reiner PR-Gag.«
»Sehen Sie irgendwo Journalisten?«
»Für die ist es sicherer, die Pressemitteilung zu lesen, als hierherzukommen.« Claggett griff nach seinem Schlüsselbund, suchte den passenden Schlüssel heraus, schloss das Scherengitter auf und schob es beiseite. Dann öffnete er die Tür. »Außerdem hat die Stadt den Laden nur für drei Monate gemietet. Das sagt doch alles?«
»Sie kennen mich nicht«, entgegnete Wade und sah sich in seiner neuen Wache
Weitere Kostenlose Bücher