King City: Stadt des Verbrechens (German Edition)
führte, die Frau, während sie sich ein zusammengeknülltes Papiertaschentuch in ihr üppiges Dekolleté stopfte.
Ein hagerer Mann mit eingesunkenen Wangen und riesigen eulenhaften Augen saß auf einem Hocker hinter der Kasse. Er war schon lange Sozialhilfeempfänger und trug ein Flanellhemd, das zwei Nummern zu groß für ihn schien. Ein dünner Plastikschlauchlief unter seiner Nase hindurch über seine Ohren bis hinunter zu einer Sauerstoffflasche, die auf einem Gestell mit Rädern neben ihm stand. Aus einem Aschenbecher auf dem Tresen kräuselte sich der Rauch einer Zigarette in Richtung Decke.
»Sie wissen schon, dass Sie in der Nähe einer Sauerstoffflasche nicht rauchen dürfen«, sagte Wade.
»Was kümmert Sie das?«, wollte der Mann wissen. Seine Stimme klang, als würde er mit grobem Schotter gurgeln.
»Sie könnten den ganzen Laden in die Luft jagen, und ich hatte eigentlich nicht vor, hier meine Henkersmahlzeit zu mir zu nehmen.«
»Das kann man nie wissen«, erwiderte der Mann. »Schon gar nicht in dieser Gegend.«
Wade setzte sich so weit entfernt von der Kasse, wie es möglich war, an den Tresen. Die Kellnerin erschien und gab ihm eine laminierte Speisekarte.
Sie war Ende zwanzig, trug ausgeblichene Jeans und eine locker sitzende, kurzärmelige Bluse, die vielleicht einen Knopf weiter geöffnet war, als es angemessen gewesen wäre. Eine Kette mit einem Traumfänger daran lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihr Dekolleté. Ihr schwarzes Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden. Sie besaß den Körper einer Ballerina, äußerst schlank, aber stark. Ihre Haut war von einem so leckeren Karamellton, dass man hätte hineinbeißen mögen.
»Machen Sie sich wegen Dad keine Sorgen. Er würde es nicht wagen, den Laden hochgehen zu lassen, bevor nicht jeder seine Rechnung bezahlt hat«, meinte sie und streckte Wade die Hand entgegen. »Ich bin Amanda. Meine Freunde nennen mich Mandy.«
»Tom Wade«, sagte er und schüttelte ihr die Hand. Er warf erneut einen Blick zu ihrem Vater, der gerade einen Zug von seiner Zigarette nahm und nicht bleicher hätte sein können, selbst wenn er aus Kalk gewesen wäre. Ihren indianischen Einschlag hatte Mandy jedenfalls nicht von ihm.
Mandy folgte seinem Blick. »Dieser warmherzige, knuddelige Mensch ist mein Vater Peter Guthrie, der Erfinder von PeterPancake.« Mit dem Finger tippte sie auf den lachenden Pfannkuchen, der die Speisekarte schmückte.
»Die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen«, meinte Wade.
»Was darf ich Ihnen bringen, Officer?«, erkundigte sie sich, während sie nach einer Kaffeekanne aus Glas griff und den massiven weißen Becher vor ihm vollgoss.
»Nennen Sie mich Tom. Ich möchte gern eine kleine Portion Pfannkuchen mit Schinken. Weich, nicht knusprig bitte.«
Mandy ging in die offene Küche und band sich eine Schürze um. »Ich hätte Sie eher für den knusprigen Typen gehalten, Tom.«
»Werden Sie enttäuscht sein, wenn ich Zucker in meinen Kaffee tue?«
»Enttäuscht nicht, aber überrascht«, erklärte sie, während sie Teig in eine Pfanne goss und einige Streifen Schinken auf die Grillplatte legte. Das Fleisch zischte. »Sie wirken auf mich wie ein Mann, der die bitteren Seiten des Lebens nimmt, wie sie eben kommen, und nicht versucht, sich irgendetwas zu versüßen.«
»All das wissen Sie schon über mich?«
»Sie sind nicht schwer zu durchschauen«, entgegnete sie. »Ich habe Sie beobachtet, als Sie herübergekommen sind. Es ist Ihr Gang und die Art, wie Sie Ihre Uniform tragen. Nicht umsonst nennt man das Körpersprache.«
Er dachte darüber nach, was sie gesagt hatte. Sie hatte ihn beobachtet und wie er sich bewegte.
Fand sie ihn attraktiv?
Es war schon lange her, seit er sich diese Frage bezüglich einer Frau gestellt oder sich für die Antwort darauf interessiert hatte.
»Und meine Körpersprache sagt, knusprigen Schinken und schwarzen Kaffee«, stellte er fest.
»In meinen Augen ja«, sagte Mandy. »Aber ich hatte nur zur Hälfte recht.«
»Darf ich Ihnen eine Frage stellen?«
»Sicher, Tom«, sagte sie, und es klang keck, als würde es ihr Spaß machen, seinen Namen auszusprechen. Und sie schien ihn auch ein wenig zu necken.
Ihm gefiel das.
»Warum haben Sie nicht wie alle anderen Gitter vor Ihren Fenstern?«
»Wenn ich in einem Gefängnis leben wollte, würde ich jemanden überfallen«, antwortete Peter Guthrie anstelle seiner Tochter. Seine Stimme klang wie ein Reibeisen, und er bezahlte die Bemerkung sofort mit
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