King City: Stadt des Verbrechens (German Edition)
vernagelt. Die wenigen, die sich noch hatten halten können, wirkten baufällig. Ihr Anstrich war verblichen und blätterte ab. Den Schildern fehlten Buchstaben und Glühbirnen.
Die wenigen Leute, die Wade auf der Straße sah, passten zu ihrem Umfeld. Sie hinkten ihres Wegs, alt und verhärmt, verlottert und einsam. Er nahm an, dass es sich um dieselben Männer und Frauen handelte, die früher einmal nach der Arbeit die Bars bevölkert hatten. Nun, da es keine Arbeit mehr gab, verbrachten sie trotzdem ihre Tage dort.
Nur ein paar der Leute machten sich die Mühe aufzusehen, als der Streifenwagen an ihnen vorbeifuhr. Und jene, die es taten, betrachteten die Polizisten voller Überdruss und Verachtung.
Wade spürte, dass er wütend wurde. Nicht auf die Leute auf der Straße, sondern auf die Polizei, weil sie diese Gegend, genau wiedie Sägewerke und Fabriken zuvor, einfach sich selbst und damit der Armut und der Kriminalität überlassen hatte, weil das Steueraufkommen dort nun plötzlich gleich Null war.
Wade würde große Hürden zu überwinden haben, wenn er in Darwin Gardens einen Brückenkopf gegen die Kriminalität errichten wollte. Doch ihm war völlig bewusst, dass sein schwierigstes Problem nicht darin bestand, die Straßen sicherer zu machen, sondern allen Bewohnern des Viertels zu beweisen, dass die Polizei Präsenz zeigte, dass man sich auf sie verlassen konnte und sie es wert war, respektiert zu werden.
Doch das zu beweisen, war deshalb so schwer, weil es sich um eine glatte Lüge handelte.
Dem Hauptquartier war das alles völlig egal. Sie würden dieses Viertel in dem Moment wieder sich selbst überlassen, indem Wade und seine beiden Anfänger ausgeschaltet worden waren.
Natürlich wussten die Leute das nicht. Ihnen war nur klar, dass die neue Wache nicht eröffnet worden war, um ihren Interessen zu dienen, sondern aus irgendeinem anderen politischen Grund. Sie wussten, dass die neuen Patrouillen reine Show waren.
Die Bewohner waren sich dessen bewusst, weil sie einfach nicht mehr existierten. Eine Tatsache, die ihnen immer wieder bestätigt wurde, wenn sie einen Blick auf den Stadtplan von King City warfen oder auf ihre verkommenen Straßen oder ihr eigenes bemitleidenswertes Spiegelbild in einer verdreckten Fensterscheibe.
Wade bog um die Ecke und fuhr die Clements Street hinunter, vorbei an der früheren Siedlung Belle Shore, die nach dem Krieg voller Enthusiasmus für die Arbeiter errichtet worden war.
Die Häuser waren völlig identische, mit Gips verputzte einstöckige Schachteln mit angebauten Garagen, die man in aller Eile aus dem Boden gestampft hatte. Im Laufe der Jahre hatten einige der Besitzer versucht, ihre Häuser etwas herauszuputzen und individueller zu gestalten, indem sie sie verklinkert oder anderweitig verkleidet und mit Fensterbänken oder Rollläden und sogar Anbauten versehen hatten. Die unbeholfenen Versuche erinnerten Wade an die Schuhkartons, die seine Tochter im Kindergarten mit buntenBändern, Flitter, Makkaroni, Knöpfen und anderem Zeug beklebt hatte.
Während er die Straße entlangfuhr, erkannte Wade, dass man in Darwin Gardens das wirklich große Geld weder mit Drogen noch Prostitution, Glücksspiel oder anderen illegalen Aktivitäten machen konnte. Das eigentliche Vermögen lag im Schmiedeeisen. Jedes Haus hatte Gitter vor den Fenstern, Scherengitter vor den Türen und schmiedeeiserne Zäune um die Grundstücke.
Weiße Lattenzäune gab es nicht.
Die meisten der Bewohner hatten ihre Pflanzen sterben lassen und benutzten ihre eingezäunten Vorgärten als Müllhalden, Lagerflächen, Hundeausläufe oder Parkplätze für ihre Motorräder, Boote oder Autos.
Die Wagen waren fast immer neuere Mittelklassemodelle und besser gepflegt als die Häuser, vor denen sie parkten.
Wade verstand das nicht.
Für ihn waren Autos einfach Gebrauchsgegenstände, die einen von A nach B transportierten, aber ein Haus bedeutete seiner Meinung nach so viel mehr, als nur ein Dach über dem Kopf zu sein. Dort
lebte
man. Er konnte einfach nicht begreifen, wie jemandem ein Auto wichtiger sein konnte als ein schönes Haus.
Die wenigen Häuser, die gut erhalten waren, hoben sich geradezu dramatisch von den anderen ab. Frische Farbe, blühende Blumen und grüner Rasen verliehen ihnen einen fast surrealen Glanz wie im zauberhaften Land in
Der Zauberer von Oz
.
Es waren mehr Leute auf der Straße, als Wade sie bisher im Rest von Darwin Gardens gesehen hatte. Sie saßen auf Sofas auf ihrer
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