Kirchweihmord
Lippen aufeinander, bis sie ganz weiß wurden.
»Wie sieht es mit dem Streit zwischen Denninger und den Herzings aus?«
Mila wurde blass. Sie nahm das Baby aus dem Wagen und setzte es sich auf den Schoß. Klein-Verena war augenblicklich still und fixierte Katinka unduldsam. Mila gab ihr einen Kuss auf das Köpfchen.
»Mit Winfried ist nicht unbedingt immer leicht auszukommen. Er ist ein gärtnerisches Genie, aber wenn man seine Vorstellungen zu kompliziert und zu teuer findet, dann ist er schnell beleidigt und schaltet auf stur.«
»Ein Künstlertyp?«, bemühte Katinka ein Klischee.
»Ja. Irgendwie schon.«
»Glauben Sie, dass die Herzings und Winfried sich überworfen haben?«
»Das kann ich mir kaum vorstellen«, sagte Mila. »Claudia ist nicht der Typ, der sich überwirft, wie Sie das ausdrücken. Sie findet immer einen Weg, sich wieder zusammenzufinden. Sie ist sehr … integrierend.«
Sie fuchtelte mit dem freien Arm vor Verena herum. Das Baby begann wieder zu plärren.
Hm, dachte Katinka.
»Was können Sie mir sonst noch über Claudia sagen«, fragte sie weiter und wollte ihr Notizbuch auspacken.
Mila Düthorn stand auf und bugsierte Verena auf ihre Hüfte.
»Gehen Sie bitte. Ich habe Ihnen alles gesagt, was ich weiß.«
Melissa wartete ziemlich genervt vor dem Café.
»Also, mein Literatur-Kaffeehaus wird ein anderes Kaliber, das kannst du mir glauben. Und eine Luft ist da drin …«
»Komm, wir machen einen Spaziergang.«
»In der heißen Sonne?«
»Der Bus fährt sowieso noch nicht.«
»Na gut.«
Sie gingen die Hauptstraße entlang.
»Hier ist die Juraklinik«, sagte Katinka nachdenklich. »Genau. Und dort oben das Autohaus …«
»Laufen wir der verschwundenen Frau hinterher?«, wollte Melissa wissen.
»Ihr Mann hat mir ihren Lieblingsspazierweg beschrieben. Komm.«
Sie umrundeten das Autohaus. Melissa begann, Katinka eine Story über die Autos zu erzählen, die Sam, ihr Ex, im Laufe ihrer nicht sehr ausgiebigen Beziehung gefahren hatte. Katinka machte sich nichts aus Autos. Sie sah sie als Mittel zur Fortbewegung, die sie möglichst sparsam von A nach B bringen sollten.
»Schau mal, der Beetle dadrüben, in Silbergrau. Können wir nicht mal schnell gucken?«
»Guck du«, sagte Katinka unwirsch. »Ich komme zurück.«
Sie lief ziellos hinter dem Gebäude entlang, aber da sie nicht wusste, wonach sie eigentlich suchte, verlor sie schnell jegliche Motivation. Schwitzend ging sie zurück. Melissa war schon ins Gespräch mit einem schick gekleideten, dunkelhaarigen Mann vertieft.
»Das ist meine Schwester«, sagte Melissa strahlend. »Sie ist Privatdetektivin. Katinka, das ist der Chef hier.«
»Angenehm«, sagte der Chef und drückte Katinkas Hand. »Wie wäre es mit einem schicken Kleinwagen als Geschäftsfahrzeug?«
Katinka schüttelte den Kopf. »Mein Geschäftsfahrzeug ist ein Zweirad, betrieben mit Muskelschmalz.«
Der Autochef lachte. »Schade«, sagte er. »Ich habe da einen alten Käfer mit Brezelfenster, der würde zu Ihnen passen.«
»Oldtimer? Bitte nicht, die Dinger springen nie an.«
»Sie haben Recht. Schauen Sie sich also ruhig um. Man weiß ja nie. Vielleicht expandieren Sie bald, wenn Sie Claudia Herzing gefunden haben.«
Katinka starrte ihn an. Melissa rollte die Augen und hob in Unschuldsmanier die Handflächen nach vorne.
»Spricht sich ja schnell herum«, sagte Katinka.
Der Chef grinste. »Das ist ein Kaff. Aber im Ernst: Wenn Sie mal einen Leihwagen für Verfolgungsfahrten brauchen, denke ich über Sonderkonditionen nach. Schönen Tag noch.«
Er verschwand in der großen Halle.
»Da drin ist es bestimmt schön kühl«, seufzte Melissa. »Und wir laufen in der Hitze herum.«
Frustriert schob Katinka die Hände in die Hosentaschen.
»Sehen wir zu, dass wir den Bus kriegen.«
Sie mussten rennen, ließen sich keuchend auf der hinteren Bank nieder.
»Was ist das eigentlich für ein tolles Schloss«, fragte Melissa, als sie aus Memmelsdorf herausfuhren.
»Schloss Seehof. Es hat herrliche Parkanlagen und sogar kleine Wasserspiele.«
Aus den Augenwinkeln sah Katinka ein Motorrad aus einem der Feldwege biegen, die zum Schlosspark führten.
»Sam hat soviel Kohle, dass er das Schloss samt Umland kaufen könnte«, sagte Melissa traurig. Auf einmal tat sie Katinka Leid. Sie widerstand gerade noch dem Impuls, ihrer kleinen Schwester den Arm um die Schultern zu legen.
Eine Hupe tönte. Katinka sah hinaus. Das Motorrad setzte an, den Bus zu überholen.
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