Kirchweihmord
Nebentisch war eine ältere Dame damit beschäftigt, heftig mit den Händen über ihrem Teller herumzufuchteln.
»Die Biester legen jetzt richtig los!«, rief sie zu Ka-tinka und Melissa herüber. »Ende August laufen sie zur Hochform auf.«
»Ja, ziemlich unangenehm«, antwortete Katinka höflich.
Smsmsm, Wespen, summte ihre eigene Zensorin im Kopf.
Die Getränke und Melissas Kuchen kamen. Und mit ihm die gelb-schwarzen Armeen.
»O, fuck!«, seufzte Melissa. »Wie soll ich den Kuchen bloß essen?«
Schon saßen mindestens fünf Wespen auf den schwarzblauen Früchten.
»Wir sollten reingehen«, schlug Katinka vor. Unruhig spähte sie umher. Ich habe was übersehen, sagte sie sich, ich habe was übersehen, und ich habe was falsch gemacht. Ich weiß bloß nicht, was.
Irgendwie gelang es Melissa, die Wespen so lange zu vertreiben, bis sie wenigstens ein paar Bissen essen konnte. Sie scherzte mit der Frau am Nebentisch darüber. Katinka hörte nicht hin.
Die Fassade der Claudia Herzing, dachte sie. Die blendende, gleißende Fassade. Hellmreich und sein schicker Garten. Zenk und seine Schützen. Antonella und ihr Deutschkurs. Eagle und sein Komposthaufen. Mila und … Ob Winfried Denninger auch bei Hellmreich den Garten in Schuss hält? Eine Weiterempfehlung von Mila und den Herzings?
Die Sonne stand nun kerzengerade am Himmel. Unter den Sonnenschirmen wurde es stickig. Katinka nahm den Zuckerstreuer in die Hand, stellte ihn aber schnell zurück. Sogar durch das Schüttrohr waren Wespen in ihrer Gier nach Süßem gekrochen, fanden jetzt nicht mehr hinaus und irrten zwischen den weißen Krümeln orientierungslos umher. Eklig, dachte Katinka. Sie trank ihren Kaffee ohne Zucker und verscheuchte die Wespen, die sich in die Apfelschorle stürzen wollten.
»Gehen wir lieber«, sagte Melissa. »Die Viecher machen mich nervös.«
»Warte mal kurz«, sagte Katinka rasch. Sie stand auf und ging unter den Schirmen hindurch und an der Orangerie entlang. Eine Menge exotischer Pflanzen standen draußen. Der ideale Sommer für Gartenliebhaber. Jetzt wächst das Zeug wenigstens, überlegte sie.
Sie bog nach links in den Weg, der zu der großen Kaskade zurückführte. Dort stand sie ein wenig erhöht und blickte um sich. Dann nahm sie instinktiv den Weg, an der rückwärtigen Seite entlang. Die Fischteiche ließ sie rechts liegen. Sie nahm die Brille ab und wischte sie sauber. Ich bräuchte eine Sonnenbrille, dachte sie, als sie die Lider zusammenkniff und gegen die Helligkeit anblinzelte. Oder endlich Kontaktlinsen und dann eine von diesen wirklich schicken Sportbrillen. Aber nichts wird’s, seufzte sie. Mein Fall ist im Eimer und mit ihm die Kohle.
Sie ging an der Ummauerung entlang und hielt auf einen der Eckpavillons zu. Im Schatten stand ein Motorrad. Katinka zuckte zusammen. Eagles Maschine? Sie hatte neulich das Nummernschild nicht erkennen können. Noch ein Minuspunkt für meine Augen. Sie sind einfach nicht ermittlungstauglich. Sie ging weiter an der Mauer entlang. Kein Baum warf hier Schatten. Die Hitze drückte sie schier zu Boden. Sie erreichte den Parkplatz. Ein BMW stieß gerade aus einer Parklücke und setzte zurück .
»Herr Hellmreich!« Katinka klopfte auf die Motorhaube.
Hellmreich erschrak und drückte aus Versehen auf die Hupe. Mit ärgerlichem Gesicht ließ er die Scheibe herunter. Kühle strömte nach draußen. Klimaanlage.
»Herr Oberstudienrat, nur noch eine Frage. Haben Claudia Herzing oder ihr Mann Ihnen einen Gärtner empfohlen?«
Hellmreich sah unsicher drein.
»Ja. Woher wissen Sie das?«
»Einen gewissen Winfried Denninger?«
»Das stimmt.«
»Und er arbeitet jetzt bei Ihnen?«
»Nicht mehr. Er hat die ersten beiden Augustwochen einige Arbeiten gemacht. Sehr gut, meines Erachtens. Aber Claudia …«
»Ja?«
»Claudia rief mich an. Sie riet mir ab, ihn weiterzubeschäftigen. Es gebe viel Ärger mit ihm, behauptete sie. Er sei sehr besserwisserisch und …«
Das könnt ihr Lehrer nicht leiden, dachte sich Katinka.
»Haben Sie einen Komposthaufen?«
Jetzt war Hellmreich völlig verdutzt. Er stellte den Motor ab.
»Es ging genau darum. Claudia wollte den Kerl loswerden. Er hatte irgendwas Absurdes mit dem Kompost vor. Ist aber nicht schwierig gewesen, ihm das auszureden, wissen Sie, ich habe ihn einfach rausgeschmissen.«
Wie gut für euch verbeamteten Philister, dass es jobbende Studenten gibt, dachte Katinka.
»Haben Sie in den letzten Tagen mit Mila Düthorn
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