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Kirchweihmord

Kirchweihmord

Titel: Kirchweihmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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Claudia Herzing.«
    Wie in Trance drückte Katinka auf den Türöffner. Ein mieser Trick, dachte sie. Ein ganz mieser. Doch die kleine, mollige Frau, die behände die Treppen heraufkam, sah eindeutig wie die Frau auf dem Foto aus, das Johannes Herzing ihr gegeben hatte.
    »Kommen Sie rein«, sagte Katinka. Ihre Hände und Füße fühlten sich taub an. Wie lange hatte sie geschlafen? Drei, vier Stunden? Wie lange hatte sie wachgelegen, gebeutelt von gärenden Gedanken und Gefühlsfilz?
    »Grüß Gott«, sagte Claudia Herzing und streckte Ka-tinka die Hand hin. »Sie sind doch Katinka Palfy?«
    »Ja.« Katinka wurde sich bewusst, dass sie schon eine ganze Weile Löcher in die Luft starrte. »Gehen wir am besten in die Küche.«
    Aus dem Wohnzimmer regte sich nichts. Sie hoffte, Melissa und Florian würden bis Mittag schlafen. Sie hatte viel vor heute. Claudia Herzing setzte sich unaufgefordert auf den Stuhl, auf dem Uttenreuther in der Nacht gesessen hatte. Katinka wischte ihre romantischen Gedanken weg und setzte Kaffee auf.
    »Würden Sie mir freundlicherweise erzählen, wo sie herkommen? Weiß Ihr Mann schon ...«
    Sie musste sich zusammennehmen. Vor wenigen Stunden hatte sie ihre Tendenz zur Verurteilung anderer noch als unrealistisch entlarvt. Konnte sie wissen, welche Konflikte Claudia umtrieben?
    »Ich habe mit einer Freundin telefoniert. Marlies Keim. Ich musste einige Dinge … mit ihr klären.«
    Katinka nickte.
    »Nun ja, ich nehme an, Sie haben … ach, ich bin ganz durcheinander.« Sie schob eine leere Bierflasche auf der Tischplatte herum wie eine ausrangierte Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Figur. Katinka entschied, abzuwarten.
    »Ich weiß natürlich nicht, was Sie über mich denken, ich weiß auch nicht, was Leute wie Mila oder mein Mann Ihnen erzählt haben. Marlies war so fair, mir von Ihrem Telefonat zu berichten.«
    Katinka stellte zwei Tassen auf den Tisch, Milch, Zucker. Dann schloss die das Fenster. Schon wieder drückte die Hitze herein.
    »Ich liebe meinen Mann«, sagte Claudia Herzing in das Schnaufen der Kaffeemaschine hinein. »Ich liebe ihn wirklich. Aber manchmal kann ich nicht mehr. Ich kann nichts mehr ertragen. Ich muss einfach weg. Habe die tiefe Sehnsucht, mich anderswo zu verlieren. Eigentlich habe ich nie etwas für Frauen empfunden. Das kam unerwartet. Unbestellt.« Sie lachte. Katinka verstand genau, was sie meinte.
    »Kennen Sie das Gefühl, aus Ihrem Leben aussteigen zu wollen wie aus der falschen Straßenbahn? Einfach in eine andere Linie zu steigen und alles hinter sich zu lassen? Das Gefühl, dass diese andere Straßenbahn sie dorthin bringt, wo sie eigentlich schon immer hinwollten? Zu einem neuen Leben?«
    Katinka nickte. Sie kannte es, wenn sie auch nicht so sehr darunter litt, wie Claudia es augenscheinlich tat.
    »Die Kinder sind reizend. Aber eben auch kleine, aggressive Aliens, die einem das letzte bisschen Freiraum nehmen. Eine Ehe ist ein Zuhause. Aber auch ein Gefängnis, wie der Garten, das Haus, die beschauliche Ruhe im Neubaugebiet. Im Gulag.«
    Katinka stellte die Kaffeekanne auf den Tisch. Claudia schenkte zuerst Katinkas, dann ihre Tasse voll.
    »Nein, danke«, sagte sie, als Katinka ihr die Milchtüte hinschob. »Ich nehme den Kaffee immer schwarz. Tja. Ich lernte Antonella durch Zufall kennen. Sie hatte Ärger mit einem Kellner im Café. Sie verstand nicht, warum sie eine bestimmte Summe bezahlen sollte, und sie sprach schlecht deutsch. Ich half ihr aus der Situation. Und dann war es passiert. Wir gingen zu ihr nach Hause. Ihre Mitbewohnerin war nicht da. Wir probierten es einfach aus. Es funktionierte. Es machte Spaß. Und es war vollkommen ungefährlich.« Claudia lachte herzlich. Katinka konnte nicht anders: Die verschwundene und nun wieder aufgetauchte Frau war ihr sympathisch.
    »Wir tauschten unsere Mailadressen und verabredeten uns für Sonntagabend. Johannes kennt meine Eskapaden. Ich schrieb ihm einen Zettel, dass ich spazieren gehen wollte.«
    »Dass Sie ein bisschen Freizeit haben wollten«, verbesserte Katinka.
    »Egal.« Claudia winkte ab. »Johannes wusste, was ich meinte. Ich wollte doch nur die Möglichkeit haben, über Nacht mit Antonella irgendwo zu bleiben. Es war herrliches Wetter. Wir hätten im Wald übernachten können …«
    »Im Wald«, wiederholte Katinka trocken.
    »… aber wir wurden aufgeschreckt. Der Punkt ist, unweit der Giechburg haben die Kinder und ich mal eine Hütte entdeckt. Sie wird von den Forstleuten verwendet, um

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