Kismet in Kairo
Lieferwagen, der sich durch die Gasse quälte, wobei der Fahrer seine Hand nicht von der Hupe nahm. Hinter dem Lenkrad grinste er überlegen.
Auf der Ladefläche stapelten sich Säcke und Kartons. Bewacht wurden sie von einem Halbwüchsigen, der eine Zigarre rauchte und sich wie der King vorkam.
Die Türen aller Läden standen offen. Immer wieder schaute ich in die Flure hinein, deren Ende zumeist in einem geheimnisvollen Halbdunkel endete, in dem auch Menschen standen, die dort allerdings mehr schattenhaften Gestalten glichen.
Man drückte und schob uns vorbei. Fladenbrot wurde im Freien gebacken. Der Professor blieb stehen und kaufte dem alten Bäcker ein Brot ab und teilte es mit uns.
Es schmeckte gut, war mit Pinienkernen bestückt und gerade richtig gesalzen.
»Es stillt den Hunger«, sagte Walter Hogland.
Die fremde Welt hatte uns vereinnahmt. Es lag noch ein Besuch bei Hassan vor uns, den aber hatte ich vergessen. Ich wurde von dem fremd anmutenden Trubel zu sehr abgelenkt. Interessiert schaute ich beim Weiterschlendern einem Mann zu, der vor seinem Laden saß und dabei war, glänzendes Blech zu bearbeiten. Er trieb es mit einem Hammer breiter und stellte so Blasinstrumente her.
In den Teestuben saßen die Gäste zusammen und tranken Kaffee oder Tee. Dunkle Augen schauten uns an. Über den Geschäften befanden sich die Wohnungen. Dicht an dicht drängten sie sich in den oft schiefen Häusern zusammen. Es gab auch Übergänge, die von einer Seite der Gasse zur anderen führten. Der dichte Betrieb nahm ab, als wir uns dem Ende näherten. Die Menschen gingen nicht etwa zurück, sie verteilten sich nur und fluteten in noch schmalere Seitengassen, in denen alte Häuser unverhältnismäßig großen Wohnsilos gewichen waren.
»Da hat man diesem Viertel ein Stück seiner Seele genommen«, erklärte der Professor. Er hob die Schultern. »Aber wo soll man mit all den Menschen hin? Noch immer weiß niemand genau, wie viele Einwohner Kairo hat. Täglich kommen viele neue hinzu. Andere ziehen in den Süden…«
»Ihr Kollege wohnt in einem dieser Häuser?« fragte Suko.
»Ja, in dem mittleren.«
Wir schauten auf die Frontseiten, dort befanden sich Balkone. Auf vielen war Wäsche zum Trocknen aufgehängt. Sie flatterte träge im Wind.
»Wie hoch müssen wir?«
Der Professor lächelte, als er Sukos Frage hörte. »Nicht sehr hoch. Nur bis zur dritten Etage.«
»Das ist gut.«
Vor den Häusern spielten Kinder und Halbwüchsige Fußball. Andere lungerten herum, aber keiner von ihnen bettelte. Der Stimmenlärm hatte sich etwas gelegt, und als wir durch die breite, offenstehene Tür schritten, da nahmen wir sofort den fremden Geruch wahr. Zahlreiche Düfte vermischten sich, hier und da wurde gekocht.
Drei Mitteleuropäer fielen auf. Zwei junge Männer stellten sich uns in den Weg. Sie sahen aus wie Aufpasser. Ihre Gesichter waren kalt und abweisend.
»Lassen Sie mich das machen!« sagte der Professor. »Ich kenne mich ein wenig aus.«
»Gern.«
Suko und ich blieben stehen, als er auf die beiden jungen Männer zuging und sie höflich in ihrer Sprache begrüßte. Dabei verschwand der starre Ausdruck ihrer Gesichter. Nachdem sie noch einen Bakschisch bekommen hatten und die Scheine zwischen ihren Fingern knisterten, wurden auch wir begrüßt und durchgelassen. Uber eine Treppe aus grauen Steinen stiegen wir hoch.
»Ist das immer so, wenn man ein Haus betritt?« fragte ich den Professor.
»Nein, nur bei Fremden.«
»Dann kassiert hier auch eine Mafia mit?«
Er strich sein Haar zurück und lächelte. »Davon würde ich nicht sprechen, Mr. Sinclair. Jeder schlägt sich hier eben auf seine Art und Weise durch. Außerdem müssen Sie die beiden jungen Männer als Eigeninitiative betrachten, als private Schutzleute.«
Ich nickte.
Der Professor stieg voran. Seine Hand schleifte dabei über das schmutziggraue Geländer hinweg. In jeder Etage stach ein langer Flur in das Innere des Hauses hinein, und keiner von ihnen war leer.
»Hassan war froh, überhaupt eine Wohnung bekommen zu haben«, erklärte uns der Wissenschaftler. »Sie glauben gar nicht, wie schwer es ist, sich hier durchzuschlagen.«
»Doch«, versicherte Suko. »Davon haben wir uns mittlerweile, auch in den Medien, ein Bild machen können.«
»Es drängt sich eben alles auf engstem Raum zusammen.«
»Was wird Hassan uns denn sagen können?« fragte ich, als wir das letzte Stück Treppe in Angriff nahmen.
Hogland hob die Schultern. »Wir müssen erst
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