Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
mächtiger Unsterblicher, dass er normalerweise nicht mehr merkt, wenn Leute um ihn herum andere Bedürfnisse und Wünsche haben als er. Er neigt dazu, Leute zu erdrücken – charmant wie chinesische Wasserfolter.«
Ich entspannte mich. Ja, diese Beschreibung passte perfekt zu Devereux’ Verhalten mir gegenüber, und ich hatte mich noch nicht mit den dissonanten Gefühlen angefreundet, die seine sanfte Dampfwalzenmentalität in mir hervorrief. Vielleicht schadete es nicht, doch ein bisschen darüber zu sprechen.
»Charmant wie chinesische Wasserfolter? Was für eine tolle Beschreibung für Devereux’ Kommunikationsstil! Weißt du, er ist in so vielerlei Hinsicht wunderbar – gutaussehend, intelligent, kreativ, rücksichtsvoll. Der Mann meiner Träume, der eben nebenbei ein wandelnder Toter ist. Aber seiner Meinung nach sollte ich einsehen, dass ich seine langersehnte ›Gefährtin‹ bin, und er scheut sich nicht, mich zu dieser Erkenntnis zu drängen. Aus irgendwelchen Gründen scheint es ihm überaus wichtig, dass ich diesen Titel anerkenne, und ich begreife einfach nicht, wieso.«
Ich schüttelte den Kopf. »Warum kann er nicht zulassen, dass unsere Beziehung sich langsam entwickelt und ich mich erst einmal daran gewöhne? Dauernd schneit er unangekündigt herein und verklickert mir, dass seine Pläne für den Abend besser sind als meine. Ich finde ihn umwerfend, er duftet phantastisch, und der Sex ist himmlisch. Und keine Frage, die Gedankenreisen sind atemberaubend. Aber er ist so … so
bestimmend!
Am laufenden Meter gräbt er etwas Neues aus, vor dem ich dringend beschützt werden muss, damit er noch mehr Gründe hat, mich wie seinen zerbrechlichsten Besitz zu behandeln. Dann reckt er bloß sein faszinierendes Kinn und gibt Erklärungen ab, als würde meine Meinung gar nicht zählen. Dabei hat sich bisher nichts von dem, wovor er mich warnte, als problematisch erwiesen. Das zum Thema ›blinder Alarm‹. Oft kann ich mich nicht entscheiden, ob ich mich auf ihn stürzen oder schreiend in die Nacht hinausfliehen soll.«
Victoria befächelte ihr Gesicht mit einer Hand.
Sogleich hielt ich inne, denn ich stellte fest, dass ich mehr gesagt hatte, als ich wollte. Anscheinend brauchte ich wirklich dringend jemanden zum Reden. Meine Therapeutenpersönlichkeit drohte, ein Leck zu bekommen. »Tut mir leid. Ich weiß, dass ich meine Gefühle nicht aufstauen darf, weil sie über kurz oder lang überlaufen, und das ist unschön. Therapeutin zu sein, fällt mir leicht, denn da ist meine Rolle klar definiert. Aber der Rest meines Lebens? Tja, darin war ich noch nie gut.«
Lächelnd nahm Victoria meine Hand. »Du bist zu streng zu dir. Wenn du denkst, das bisschen kontrollierte Offenheit war schlimm, erinnere mich, dich nie mitten in einer meiner PMS -getriebenen, schokoladenverstärkten Selbstmitleidspartys anzurufen. Du würdest mich wegsperren lassen! Weißt du was? Du solltest mal zu einem meiner Zirkelrituale kommen. Ein bisschen wildes, schweißtreibendes Tanzen um ein Feuer kann Wunder wirken.« Lachend drückte sie meine Finger. »Oder auch nicht. Bedenkt man, dass du gerade guckst, als hätte ich dich gebeten, nackt durchs Einkaufszentrum an der Sixteenth zu laufen, schätze ich, dass deine Tanzkarte für fremde Erfahrungen gegenwärtig ausgefüllt ist. Da schieben wir deinen Besuch lieber vorerst auf. Aber falls du meinen unerbetenen Rat in Sachen Devereux hören willst: Er ist eine der beängstigendsten, mächtigsten Kreaturen auf diesem Planeten, aber er hat eine liebende Seele. Und man kann ihn erziehen. Lässt du dich von ihm manipulieren, tut er es auch. Das entspricht der Natur des Vampirs genauso wie der menschlichen. Aber wenn du nein sagst, wird er damit umgehen lernen. Hör auf, so nett zu sein!«
Sie legte meine Hand in meinen Schoß zurück und tätschelte sie mütterlich. »Lass dir nichts von ihm gefallen!« Mit dem typischen, wenn auch theatralisch übertriebenen Gekicher einer Hexe stand sie auf und wedelte mit ihren Armen, um ihr Territorium zu umspannen. »Ich bin immer hier, und mein Zirkel steht dir jederzeit offen.«
»Du hättest Therapeutin werden sollen«, stellte ich fest und erhob mich ebenfalls. »In zwischenmenschlichen Belangen bist du ziemlich gut.«
»Ja, das bin ich. Aber bei der Therapie gibt’s zu viele Regeln. Die engen so ein. Ich kriege schon reichlich Gelegenheit, meine Talente als Heilerin und Seherin für meinen Zirkel auszubauen. Und es macht mehr Spaß, mir
Weitere Kostenlose Bücher