Kismet Knight – Vampire lieben länger / Roman
egal, mit welchen Erklärungen sie aufwartete. »Denk meinetwegen, was du magst. Er misshandelt mich nicht, und ich habe noch nichts gesehen, was auf irgendwelche Verwicklungen mit dem organisierten Verbrechen hindeutete.« Ein wenig schärfer ergänzte ich: »Nicht dass es dich etwas anginge, aber wir genießen es einfach nur, zusammen zu sein. Wir schmieden keine Zukunftspläne oder so.«
Zumindest ich nicht.
Ein Anflug von Traurigkeit verdunkelte ihre Augen. »Okay, schon kapiert. Es geht mich nichts an. Trotzdem mache ich mir Sorgen um dich. Also, geh mir nicht gleich an die Gurgel! Ich versuche bloß, eine Freundin zu sein. Ja, ich weiß, in dem Job bin ich grottenschlecht, aber ich bemühe mich. Ich erzähle dir das von Devereux, weil ich nicht will, dass dir weh getan wird.«
Ich war so verkrampft gewesen, dass die Durchblutung in meinen angewinkelten Armen gekappt worden war. Deshalb schüttelte ich meine Hände aus, um sie wieder in Gang zu bringen. Dabei betrachtete ich Maxie und überlegte, ob sie sich für künftige journalistische Zwecke gut mit mir stellen wollte oder wirklich für mich interessierte. Normalerweise konnte ich andere ziemlich leicht lesen; ich fühlte, ob jemand die Wahrheit sagte oder nicht. Maxie hingegen hatte diesbezüglich von Anfang an eine echte Herausforderung dargestellt.
Sie hätte die beste Schauspielerin der Welt sein können, oder ich war gerade mit beiden Füßen in ein Fettnäpfchen gestiefelt. In letzter Zeit hatte ich einige suboptimale Entscheidungen getroffen, also beschloss ich, ihr einen Vertrauensvorschuss zu geben. »Ja, und das weiß ich zu schätzen. Ich bin nicht sauer. Ich muss das nur erst einmal verdauen.« Wieder sah ich auf meine Uhr. »Und jetzt muss ich gehen. Nächstes Mal bitte keine Rätsel! Wenn du mir etwas zu sagen hast, dann nur raus damit, wie du es sonst auch hältst!« Mit diesen Worten wandte ich mich zum Gehen.
»Hey, Ethel!«, rief Maxie mir nach. »Sind wir noch Freundinnen?«
»Ja, Lucy«, antwortete ich über die Schulter, »wir sind noch … irgendwas.«
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Kapitel 16
»… und unter diesem irren Kleid habe ich einen schwarzen Seidenbody an. Soll ich ihn mal zeigen?«
Mein Phantasiebild war schon lebendig genug, so dass ich tun musste, als würde ich husten, um mir das Grinsen zu verkneifen. »Nein danke, Kenneth. Es ist schön, dass Sie sich erlauben, Ihre Wünsche auszuleben. Das ist ein gewaltiger Durchbruch.«
Kokett blickte er zu mir, die Augen umrahmt von sehr großen Kunstwimpern, und lächelte schüchtern. »Meinen Sie ehrlich? Nun ja, bis heute haben wir ja immer nur über meine Phantasien geredet, aber ich habe all meine Kleider und die anderen Sachen mitgebracht – für den Fall, dass ich doch den Mut aufbringe, Dolly zu sein, mein Alter Ego. Und dann, im letzten Moment, bin ich in den Waschraum am Ende des Flurs gegangen und habe die Kleidung gewechselt.« Er lachte. »Ach was, ich habe
die Person
gewechselt!«
Es fiel nicht schwer, den gutmütigen Bankmanager anzulächeln, der mir nun als Dolly Parton verkleidet gegenübersaß, und das lag nicht allein an seinem Kostüm. Erst vor wenigen Wochen hatte er mir sein Geheimnis anvertraut, und weil er seinem einsamen Vergnügen so viel Freude abgewann, war ich froh, dass er sich aus seiner Nische hervorgewagt hatte. Er genoss das Ritual, sich Make-up aufzulegen, seine riesige blonde Perücke aufzusetzen und seine zweihundert Pfund in ein enganliegendes Paillettenkleid zu zwängen. Wohin diese Leidenschaft ihn führen würde, hatten wir noch nicht besprochen.
»Wie fühlt es sich an, Dolly zu sein?«
Ein Leuchten erhellte seine Gesichtszüge. »Es ist herrlich! Obwohl ich gar nicht einmal alles trage. Zu Hause klebe ich mir noch lange rote Fingernägel auf, und die benutze ich als Plektren, wenn ich meine Akustikgitarre spiele – genau wie
sie!
« Er griff unter seine großen Kunstbrüste und drückte sie seufzend höher. »Ich muss unbedingt einen besseren BH finden! Dolly ist so sehr üppig ausgestattet, und die meisten Dessous sind der Aufgabe einfach nicht gewachsen.«
»Sicher finden Sie, was Sie brauchen. Vielleicht versuchen Sie es einmal bei Victoria’s Secret.«
Führt Victoria’s Secret auch Übergrößen?
Ich sah zur Uhr. »Unsere Zeit für heute ist um.« Mir fiel auf, dass er gar keine Tasche bei sich hatte, und ich fragte mich, wo seine »normale« Kleidung sein mochte. »Haben Sie Ihren Anzug im Waschraum gelassen? Ihre Mitarbeiter in der
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