Klammroth: Roman (German Edition)
klang wie ein Spruch, den er in einem Gangsterfilm gehört hatte.
Eriks Grinsen war wie aufgemalt. Er nickte langsam und blickte von einem zum anderen.
»Das ist so scheiße«, flüsterte Christina Anais zu, gefolgt von einem nervösen Kichern. »Also echt.«
In einem Halbkreis blieben die neun Teenager stehen, fast fünf Meter von dem Topf entfernt. Tim wiederholte immer wieder »Ich hab’s euch doch gesagt«, während Sebastian nach kurzem Zögern einen Schritt nach vorn machte.
»Du wirst da ja wohl nicht reingucken«, sagte Ella.
Zögernd schüttelte er den Kopf. »Was hast du jetzt vor?«, fragte er in Eriks Richtung.
Der runzelte die Stirn. »Wollt ihr dabei sein?«
»Weiß nicht«, sagte einer der anderen Jungs.
»Ganz bestimmt nicht«, sagte Christina.
Anais dachte wieder an ihren Vater. Lange vor Unterrichtsbeginn erledigte er in seinem Büro bereits den wichtigsten Papierkram. Am Nachmittag fuhr er hinüber ins Rathaus und blieb dort bis zum späten Abend, wenn die Sitzungen und Ausschusstreffen zu Ende gingen. Seit dem Tod ihrer Mutter hatte Anais mit ansehen müssen, wie ihr Vater alle Energie in seine beiden Posten investierte, während er zu Hause wie ausgehöhlt wirkte und ganze Wochenenden schweigend in seinem Garten verbrachte.
Falls Erik seinen Plan in die Tat umsetzte und den Eingang zum Lehrertrakt mit dem Inhalt des Topfs besudelte, dann würde ihr Vater am Morgen Zeter und Mordio schreien, bis die Verantwortlichen am Fahnenmast vor der Schule baumelten.
»Hier stinkt’s!«, sagte Ella, gefolgt von zustimmenden Ausrufen der anderen.
»Du hast wirklich da reingeschissen?«, fragte Sebastian.
Ella zerrte an seiner Hand. »Lass ihn doch! Der hat sie nicht alle.«
»Ich glaub nicht, dass du dich das wirklich traust«, sagte Sebastian zu Erik. »Das wäre ’ne ziemlich harte Nummer.«
»Wetten doch?«
Die anderen murmelten.
»Und um was?«, fragte Sebastian.
»Einen Kuss von deiner Freundin.«
Ella taumelte wie bei einem Erstickungsanfall.
»Zehn Mark«, sagte Sebastian. Offenbar hatte er beschlossen, die Bemerkung über Ella zu ignorieren. Er wollte tatsächlich sehen, ob Erik den Mumm hatte, diese Sache zu Ende zu bringen.
»Ich will kein Geld«, sagte Erik.
»Was dann?«
»Du lädst mich zu deiner nächsten Party ein.«
»Geht klar.«
Ella meckerte, und auch einige der Übrigen machten abfällige Bemerkungen.
»Du machst das da « – Sebastian deutete auf den Topf – »und ich lade dich ein. Kein Problem.«
Ella zupfte ungläubig an seinem Ärmel.
Anais riss der Geduldsfaden. Sie trat vor die beiden, nahm Ellas Unterarm und zog ihn von Sebastian fort.»Kannst du mal aufhören, ihn wie deinen Dackel zu behandeln?«
Dem jüngeren Mädchen verschlug es die Sprache. Sebastian sah Anais voller Erstaunen an. Und Christina stieß einen hellen Laut aus, der ein ungläubiges Lachen sein mochte.
Ella überwand ihr Erstaunen und baute sich vor Anais auf. Sie war fast einen Kopf kleiner, wirklich noch ein Kind, während Anais sich in diesem Moment ungeheuer erwachsen fühlte. »Das geht dich ’nen Scheiß an!«
Erik meldete sich wieder zu Wort: »Es fehlt noch was!« Wahrscheinlich fürchtete er, die anderen könnten das Interesse an ihm verlieren, wenn Anais und Ella sich im Dreck rauften.
Anais ignorierte ihre Kontrahentin und wandte sich zu ihm um. Auch die Blicke der anderen schwenkten wieder zu Erik hinüber.
»Ach ja?«, fragte Sebastian. »Was denn?«
»Einer von euch muss mitmachen«, entgegnete Erik.
»Das war deine Idee«, sagte Sebastian kopfschüttelnd.
»Aber ihr seid zu viele. Irgendwer könnte was weitererzählen, und dann kriegen sie mich am Arsch. Aber wenn ein paar von euch mitmachen, dann sitzen wir alle im selben Boot.«
Anais verstand ihn. Es lag nahe, dass jemand – Ella, zum Beispiel – die ganze Geschichte bei der erstbesten Gelegenheit ausplaudern würde. Erik wollte auf Nummer sicher gehen. Sie mochte ihn nicht, aber in dieser einen Sache konnte sie nachvollziehen, wie er dachte.
»Ist ganz einfach«, sagte er. »Einer von euch pinkelt in den Topf. Das reicht schon.«
Immer noch grinsend streckte er Arm und Zeigefinger aus und ließ ihn langsam von einem zum anderen wandern. Alle schienen den Atem anzuhalten, als käme ein Rückzieher nicht mehr infrage, sobald Erik seine Wahl erst getroffen hatte. Einige wichen seinem Blick aus, und Ella machte einen halben Schritt hinter Sebastian. Anais bekam eine Gänsehaut, als ihr klar
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