Klappohrkatze kommt nach Hause: Meine Abenteuer mit Norton (German Edition)
könnten. Falls ich mit dem Verlauf nicht zufrieden war, konnte ich immer noch auf die Chemo zurückgreifen (Marty würde so etwas zwar nie sagen, aber meine Interpretation war, dass der Onkologe auch in dieser Hinsicht nur Mist geredet hatte: Es gab überhaupt keinen Grund, meine Entscheidung über Nacht zu treffen). Und dann sagte Marty, er würde Norton gern zwei Tage lang am Stück an den Tropf hängen, um seinen ganzen Organismus durchzuspülen. Ich fragte, wie ich ihn achtundvierzig Stunden lang an der Infusion halten sollte, und er sagte, das müsse ich nicht, ich solle Norton bei ihm lassen. Ich begann zu protestieren, aber er sagte, es sei wichtig. Er sagte auch, er werde Norton nicht über Nacht allein in der Klinik lassen – er werde ihn mit nach Hause nehmen.
Ich atmete tief durch, dachte, dass ich mich ein bisschen fühlte, als würde ich meine Katze zu einer Behandlung mit Aprikosenkernen nach Mexiko schicken, und sagte okay. Ich biss mir auf die Unterlippe, um nicht wieder schluchzen zu müssen, gab Norton einen Abschiedskuss, stieg in den Wagen und fuhr in die Stadt zurück.
Zwei Tage tigerte ich durch meine Wohnung, ging allein zum Hundeauslauf und fühlte mich wie ein Depp, und ich machte mir irre Sorgen. Am ersten Abend rief ich Marty zu Hause an und fragte, wie es Norton ginge. Der Report lautete: alles gut. Und er verstand sich bestens mit Martys diversen Katzen und Hunden. Tatsächlich lief es so gut, dass Marty ihn noch einen Tag länger dabehalten wollte. »Wirklich«, sagte er. »Vertrauen Sie mir.«
Am Ende dieser zweiundsiebzig Stunden (und, ja, falls Sie es wissen wollen, ich rief noch ein paarmal an, um mich nach dem Wohlergehen meiner Katze zu erkundigen; okay, nicht nur ein paarmal – ich rief ungefähr zehnmal an), fuhr ich wieder hin und holte Norton ab. Natürlich hatte er alle in der Klinik restlos bezirzt. Sie freuten sich kein bisschen, mich zu sehen, weil sie wussten, dass ich gekommen war, um ihn wegzuholen.
Marty sagte, die Behandlung verlaufe gut. Mit breitem Lächeln wies er mich an, Norton wieder zu Dianne zu bringen und nach vierundzwanzig Stunden noch einen Bluttest zu machen. Danach, sagte er, solle ich mit dem neuen Programm aus Zusatzfutter und Vitaminen anfangen und alle drei oder vier Wochen sein Blut untersuchen lassen.
Ich sagte okay, fuhr zurück in die Stadt, streichelte auf dem ganzen Weg meine Katze – die, wie ich zugeben muss, ganz besonders gesund und munter wirkte – und machte einen Termin im Washington Square Hospital.
Als ich in die Praxis kam, teilte ich Dianne mit, wofür ich mich entschieden hatte. Ich würde abwarten, wie Martys Behandlung anschlug, und würde vorerst auf die Chemo verzichten.
Ich glaube, sie fand es nicht richtig, aber sie war sehr verständnisvoll. Auch sie sagte, ich könne es mir jederzeit anders überlegen. Sie sagte sogar, sie könne ihm die Chemo-Spritzen geben, wenn mir das lieber wäre, solange der Onkologe die richtige Dosis vorbereitete. Ich sagte, das sei mir tatsächlich lieber, aber erst einmal wollte ich sehen, wie es ohne ging. Ich hatte lange und ausführlich darüber nachgedacht. Ich versuchte wirklich, nicht das Maß zu verlieren, und sagte mir immer wieder, dass es um eine Katze ging, nicht einen großen Politiker oder einen Verwandten oder auch nur einen ganz gewöhnlichen, normalen Menschen. Trotzdem, und zum Teufel mit dem rechten Maß, hatte ich das Gefühl, vor einer der wichtigsten Entscheidungen meines gesamten Lebens zu stehen, und ich spürte ganz stark, dass ich mich auf meinen Instinkt verlassen musste. Und mein Instinkt sagte mir ganz eindeutig, dass ich Qualität über Quantität stellen sollte. Sie sollten nur ruhig machen und das tun, was ich bislang all die Jahre gemacht hatte, die ich an der Seite meines geliebten kleinen Kumpels verbracht hatte: ihm das bestmögliche Leben zu schenken, damit, wenn es zu Ende ging, keiner von uns etwas zu bereuen hatte.
Ich hatte mich schon einmal einer ähnlichen Situation stellen müssen. Als ich erfuhr, dass mein Vater im Sterben lag, flog ich hin (genauer gesagt, Norton und ich flogen zusammen), um bei ihm zu sein. Er lag damals noch im Krankenhaus, und es sah ziemlich schlecht aus. Sein Arzt nahm mich beiseite und sagte, wenn es an der Zeit sei, wenn ich sehen würde, dass mein Vater zu viele Schmerzen litt oder den Punkt überschritten hatte, an dem uns ein Weiterleben keinen Sinn mehr zu haben schien, könne er etwas tun. Mit gesenkter Stimme
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