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Klatschmohn

Klatschmohn

Titel: Klatschmohn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Greifeneder
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worden.

    »Marie«, hatte sie gesagt, »jetzt machen wir noch ein paar Fotos von unserem gemeinsamen Tag. Die kannst du dann immer anschauen und dem Thomas aus dem Kinderchor zeigen, wenn er wieder gesund ist.«

    Marie war begeistert. Flugs war sie auf Lillis Schoß geklettert und hatte, ganz Profi, in die Kamera gelacht. Leider hatte Marie zu stark hin und her gewackelt, und schon war es geschehen.

    Sie war gefallen - direkt mit dem Kopf auf den Geldeinwurfschlitz. Marie blutete an der Stirn und schrie, was das trainierte Stimmchen hergab.

    Und Lilli war die blanke Panik den Rücken hoch gewandert. Was, wenn Marie bleibende Schäden hatte, ihre Mutter sie verklagte, der Sender sie rausschmiss wegen Verletzung der Aufsichtspflicht?

    »Mariechen«, hatte sie gesagt, »beruhige dich, komm, das ist sicher gar keine schlimme Wunde, das muss sicher nicht genäht werden.«

    Beim Wort »genäht« war Marie nicht mehr zu halten gewesen. Lilli wurde noch jetzt käsebleich bei der Erinnerung daran.

    Mit Marie auf dem Arm war sie in die nächste Praxis gerannt.
    Währenddessen hatte sie sich die schwersten Vorwürfe gemacht: Du selbstverliebte, egoistische Kuh! Was, wenn das Kind eine Narbe behält? Das mit dem Kinderkriegen kannst du dir schön abschminken, werde erst mal reif!

    In der Praxis war ihr eine mütterliche Arzthelferin entgegengekommen und hatte Lilli erst mal aufgefordert, sich zu beruhigen.

    Lilli hatte, so gut es ging, Marie abgelenkt, bis der Kinderarzt sich um sie kümmern konnte. Dr. Sebastian Sommerfeld stellte sich nicht nur als kompetenter Kinderarzt heraus, sondern auch als ein sehr attraktiver Mann.

    Marie musste zum Glück nicht genäht werden. Ein Pflaster für die Giraffe und Maries Stirn waren völlig ausreichend.

    Sebastian Sommerfeld hatte sich an Lilli gewandt. »Sind Sie die Mutter von Marie?«

    Lilli erklärte ihm, wer sie war, wer Marie war, und dass sie in einer Stunde einen Auftritt haben würde.

    Marie, inzwischen wieder munter, hatte die ganze Zeit vor sich hin geplappert. Sie erzählte von ihrer Weihnachts-CD und zwang nicht nur den Doktor, sondern auch Lilli, mit ihr erst »Stille Nacht, Heilige Nacht« und anschließend »Es ist ein Ros’ entsprungen« zu singen. Bei »Ihr Kinderlein kommet« hatte der Gott in Weiß dann doch abgebrochen.

    Marie schien sich in den Kinderarzt verliebt zu haben und wollte sich gar nicht mehr von ihrem großen Retter trennen. Sie bestand darauf, von ihm zu ihrem Auftritt begleitet zu werden, was Lilli sehr gelegen kam. Zufällig hatte Dr.  Sommerfeld gerade Praxisschluss und ließ sich von Marie erweichen.

    Marie, ganz Profi, meisterte ihren Auftritt mit Pflaster, immer mit einem Auge auf Dr. Sommerfeld schielend. Auch Lilli hatte das ein oder andere Mal auf den netten Arzt geschaut.

    Jetzt, wo sie nicht mehr unter Schock stand und alles viel besser verlaufen war als gedacht, war sie in der Lage, ihn als das wahrzunehmen, was er war.

    Ein Geschoss!! Groß gewachsen, sportlicher Typ, fröhliche Augen und sehr charmant.

    »Weißt du, Pia, in dem Moment dachte ich, das kann ich mir gleich abschminken. So irre, wie ich mich aufgeführt habe. Vergeigt! Doch dann hat er mich gefragt, wo ich hin muss. Erst dachte ich, er ist als Arzt wahrscheinlich dazu verpflichtet, sich um mich zu kümmern, weil ich mich so bekloppt benommen habe. Er hat dann angeboten, mich nach Hause zu fahren. Wir haben uns unterhalten, ganz unverkrampft und mühelos. Ich habe ihm vom Sender erzählt, er mir von seinem Job und wie sehr er Kinder liebt. Mir kam es gar nicht komisch vor, ihn hereinzubitten, und als ich genügend Wein intus hatte, hab ich ihm sogar mein Mutter-Kind-Projekt gestanden. Den verheerenden Ausgang hat er ja selbst miterlebt. Du, der hat nur gegrinst und gemeint, da gäbe es schlimmere Fälle, und solange ich mich nicht vor Krankenhäusern herumtreiben würde, um Säuglinge zu klauen, sei das noch in Ordnung.

    Dann hat er leise gesagt, dass das doch nicht alles sein könnte, worum meine Gedanken kreisen würden, und ich, angeheitert wie ich war, hab geantwortet: >Stimmt, eigentlich möchte ich mal wieder geküsst werden, und zwar zur Abwechslung nicht von einer selbstverliebten Medienkoksnase, sondern von jemandem, der etwas für mich empfindet.«

    Einen Moment lang dachte ich, das war’s, aber er hat mich nur prüfend angeschaut und wirklich geküsst!«

    Lilli war total außer sich.

    Ich konnte es nicht glauben, da soll noch mal jemand sagen,

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