Kleine Einblicke
wollen, dass es uns gut geht?“, kontere ich, was Nick aufseufzen lässt, bevor er mir ein schiefes Grinsen schenkt.
Und es ist genau dieser Moment, dieser kurze Augenblick zwischen uns, wo ich die Enttäuschung in seinen Augen sehen kann, denn wir wissen, dass es nicht mehr geben wird, in dem ich mir eine Sekunde lang wünsche, es wäre vor Jahren anders gekommen. Ich habe nicht mal ein schlechtes Gewissen deswegen. Wir lieben einander nun mal, das werden wir immer, und wahrscheinlich ist es eben genau dieses Wissen, das uns davon abhält weiterzugehen. Selbst, wenn wir eine Erlaubnis dafür haben. So wie damals, nachdem ich David geheiratet habe und Nick damit nicht klarkam. So wie heute.
„Verdammt“, murmelt Nick, denn ich verberge das Gefühl nicht vor ihm, wie es vielleicht tun sollte. „Dafür landen wir in der Hölle, ist dir das klar?“
Jetzt bin ich derjenige, der lacht. „Wir haben nur zwei Teufel, die uns verdammen dürfen und die sind der Grund, warum wir gerade hier sind. Von der Hölle droht keine Gefahr.“ Statt einer Antwort, zuckt Nick schweigend die Schultern, was auch das Beste ist. „Lass uns schlafen gehen.“
Nick öffnet den Mund, schließt ihn dann aber wieder, ohne danach zu fragen, ob ich hierbleibe. Ich weiß weshalb, und ich weiß, dass es klug wäre, wenn ich gehe, aber das werde ich nicht tun. Ob oder was auch immer heute noch passiert, es wird okay sein. Für Tristan genauso wie für David, und vor allem für Nick und mich.
„Ich bleibe hier.“
Eine schnelle Dusche später, bei der ich tunlichst darauf achte, meine Nase vom Wasser fernzuhalten, die mittlerweile doch ziemlich angeschwollen ist, tausche ich mit Nick die Plätze im Badezimmer und suche beim Anziehen eine frische Shorts für ihn heraus. Er hat keine Sachen hier und alles, was wir heute an hatten, wird ohnehin erst mal in der Waschmaschine landen, beziehungsweise auf dem Müll, dann die blutverschmierte Kleidung von David dürfte kaum zu retten sein.
Ich unterdrücke den Wunsch, noch mal zu David hinunterzugehen, da mein lieber Mann mir dafür garantiert die Leviten lesen würde, und gebe stattdessen Nick die Shorts ins Badezimmer, bevor ich mich ins Bett verziehe. Langsam kommt die Müdigkeit, aber schlafen ist noch nicht drin. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass zwischen Nick und mir das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Nick gähnt, als die Tür aufgeht und er ins Zimmer kommt. Er sagt nichts, macht einfach das Licht aus und klappt das Fenster an, damit frische Luft zu uns reinkommt, bevor er sich neben mich legt.
Draußen donnert es leise. Irgendwo in der Nähe der Stadt scheint sich ein Gewitter zusammenzubrauen. Hoffentlich hält es sich von Cumberland fern, denn sonst dürften Tristan und seine Familie eine lange Nacht haben. Isabell hat Angst vor Gewittern, und ich hoffe, das verwächst sich mit der Zeit.
„Hast du eigentlich jemals darüber nachgedacht, was wäre, wenn Tristan und ich damals nicht zusammengefunden hätten?“, fragt Nick nach einer Weile in die Dunkelheit des Zimmers hinein.
Natürlich habe ich das. Immerhin musste ich Nick gehenlassen, um ihm zu seinem Glück zu verhelfen. Eine gute Tat von mir, so dachte ich damals lange Zeit. Nein, seien wir ehrlich, ich musste einfach so denken, weil ich sonst eine Menge getan hätte, um Nick bei mir zu behalten. Ich war ein völliger Egoist, bin es in manchen Dingen heute noch, aber David hat meine harte Schale weicher gefeilt. Und ich habe ihn feilen lassen, weil ich verrückt nach ihm bin.
„Wir wären nicht da, wo wir heute sind, Nicky. Wir könnten nicht hier liegen und darüber reden, Sex zu haben. Wir würden es einfach tun.“
„Und es wäre richtig.“
Das ist mir bewusst, aber das macht es nicht besser. Auch wenn David und Tristan nur unser Bestes wollen und bereit wären, das zu akzeptieren, wir werden nicht so dumm sein. Wir können träumen und es uns wünschen, und ich würde lügen, wenn ich behaupte, das noch niemals getan zu haben, aber mehr auch nicht. Ein Traum bleibt ein Traum, ein Wunsch ein Wunsch. Entweder gemeinsam, oder gar nicht.
„Ich weiß.“
Schweigen.
Eine Minute, in der ich überlege und die Sekunden zähle.
Zwei Minuten, in denen mir klar wird, dass das, was wir hier im Moment machen, einfach nur albern ist.
Drei Minuten, in denen ich mich kurz frage, ob David und Tristan jetzt genauso wachliegen wie wir.
Vier Minuten, in denen ich mich entscheide, dass ich den ersten Schritt niemals tun
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