Kleine Luegen erhalten die Liebe
wollten die beiden nichts hören), wir hoffen, dass du einen schönen Geburtstag mit Mummy und Daddy hast und jede Menge Kuchen und Süßigkeiten bekommst. Tante G-G und Onkel David xxx.
Auch ein Geschenk von Anna war dabei, was an sich schon überraschend war, da Billy zu seiner Geburt nichts von ihr bekommen hatte: eine hübsche hölzerne Uhr in Form der Kleinen Raupe Nimmersatt.
Liebster Billy, möge dein Geburtstag ein Tag voller guter Vibrationen sein. Umarmungen und Frieden, Anna und Steve xx.
Verdammt, dachte Mia, als sie Uhr und Karte ins Regal stellte. Das war schon fast ein bisschen Furcht einflößend!
Nicht einmal Mrs. Durham hatte Billy vergessen. Jetzt bist du ZWEI ! , stand vorne auf der Karte, was Mia zum Lachen brachte. Wie oft hatte sie dieser Frau verklickert, dass es Billys ERSTER Geburtstag war? Offenbar war sie seniler, als Mia gedacht hatte.
Sie packte ein Geschenk nach dem anderen aus und schaute immer wieder auf die Uhr, doch von Eduardo war nichts zu sehen – und es war schon neun Uhr sechzehn.
Aber seine Eltern hatten ein Geschenk geschickt. Valeria und José Luiz waren ganz reizende Menschen, doch offenbar völlig ahnungslos, was ihren Sohn anging. Sie waren Anfang des Jahres zu Besuch gekommen, als Billy sechs Monate alt gewesen war. Eduardo hatte sich seinen Sohn »geborgt« und das Wochenende mit ihm und seinen Eltern verbracht und ihn zu Bauernhöfen und allen möglichen anderen Orten mitgenommen, als täte er das ständig. Danach hatte Mia drei Wochen lang wieder nichts von ihm gehört.
Sie nahm die nächste Karte von dem Stapel. Es war das dicke blaue Kuvert, das Fraser ihr gegeben hatte, auf dem in seiner fast schon unleserlichen Handschrift Billy stand.
Mia öffnete den Umschlag und sah eine von Quentin Blake illustrierte Karte.
Bleib, wie du bist, Billy! Und iss Kuchen, bis dir schlecht wird! In Liebe, Big Fraser xxx.
Mia lächelte. Manchmal nannte sie Fraser Billy gegenüber »Big Fraser«, da es noch einen anderen, viel jüngeren Fraser gab, den Billy aus dem Park kannte. Sie hielt die Karte in der Hand und wollte den Umschlag gerade wegwerfen, als sie merkte, dass er noch etwas anderes enthielt. Es war ein zusammengefaltetes, liniertes DIN-A4-Blatt, ein handgeschriebener Brief. Neugierig entfaltete sie das Blatt und begann den Brief zu lesen.
Liebe Mia,
okay, du weißt ja, dass ich nicht besonders gut darin bin, meinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, außer natürlich, wenn es um mich selbst geht. (Wie nanntest du mich neulich noch am Telefon? »Ein unbeherrschtes, selbstsüchtiges Kind?« Ja, ich würde sagen, das war ein echter Höhepunkt unserer Freundschaft.)
Aber damit du mich nicht wieder für unbeherrscht hältst (ich scherze nur, ich scherze, ich kann’s nicht lassen, was?), werde ich mich kurz fassen. Als dein alter Freund wollte ich dir nur sagen, wie stolz ich auf dich bin. UNGEHEUER stolz!
Ich kann es kaum glauben, dass schon ein Jahr vergangen ist, seit du mit Billy aus dem Krankenhaus heimkamst und ein Gesicht machtest, als wäre deine ganze Familie bei einem Autounfall umgekommen. Und nun sieh dich heute an!
Doch jetzt mal ganz im Ernst: Du bist eine wunderbare Mum, Mia! WUN-DER-BAR . Und ich weiß, dass ich das ohne Kompetenz oder Erfahrung in diesen Dingen sage, und vielleicht sperrst du Billy ja daheim in Wirklichkeit in einen Schrank und fütterst ihn mit Kies. Aber nach dem, was ich von dir gesehen habe, bin ich sehr beeindruckt. Ich weiß, dass du das manchmal nicht glaubst, doch er kann sich glücklich schätzen, dieser kleine Junge, verdammt glücklich, dass er dich hat.
Es war ein beschissenes Jahr für uns alle. Ich bin sicher, dass wir eines Tages auf diese Zeit zurückblicken und denken werden: Das war das schlimmste Jahr unseres Lebens. Aber du hattest mit viel mehr zu kämpfen als jeder andere von uns und warst wahrscheinlich trotz allem die Optimistischste. Ich weiß, dass ich in letzter Zeit oft ein echtes Rindvieh war, doch ich arbeite daran. Ich kann zwar nicht versprechen, dass ich plötzlich aufhören werde auszuflippen oder dass ich diese Dinge wirklich kontrollieren kann, wenn sie mich überkommen, aber du hast mich nachdenklich gemacht.
Und dafür möchte ich dir danken. Danke, dass du so ehrlich bist, Mia, eine so großartige Freundin und eine sehr, sehr alte, weise (okay, okay, nicht alt, doch auf jeden Fall sehr weise … Nein, jetzt hör ich besser auf, bevor ich mich in Schwierigkeiten bringe …) EULE bist!,
Weitere Kostenlose Bücher