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Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden

Titel: Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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kommen, die herrschenden Verhältnisse beenden und das Reich Gottes aufrichten sollte. Die Menschen, die Jesus also schon zu Lebzeiten Christus nannten, verknüpften diese Erwartungen mit seiner Person. Sein unrühmlicher Kreuzestod enttäuschte diese Hoffnungen zunächst, nach seiner Auferstehung jedoch begannen
die Menschen zu glauben, dass Jesus, gerade weil er den Tod überwinden konnte, tatsächlich der Messias gewesen sein musste. Noch heute glauben Christen an seine Wiederkunft am Ende der Zeit, an dem er sein Werk beenden werde. Der Namenszusatz Christus ist also kein Nachname, sondern ein besonderer Titel und eine Glaubensaussage der Christen. So wie Petrus erkannte: »Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!« (Matthäus 16,16).

D
DOGMEN sind das Fundament des Glaubens
    Dogmen sind feststehende Lehrsätze oder -meinungen, die endgültige Wahrheit und Unumstößlichkeit für sich beanspruchen; im christlichen Sinne also die für die jeweilige Konfession als verbindlich festgelegten Glaubensaussagen. Die katholische Kirche räumt diesen Lehrmeinungen einen sehr hohen Stellenwert ein: »Das Lehramt ist […] unfehlbar, wenn der Papst und die Bischöfe in ihrem ordentlichen Lehramt übereinstimmend eine Lehre als endgültig vorlegen. Solchen Lehren muss jeder Gläubige im Glaubensgehorsam anhängen«, heißt es zum Beispiel ziemlich gestelzt im Katechismus der katholischen Kirche. Soll heißen: Bibel und Tradition sind für die katholische Kirche zwar die Grundlage für die Formulierung ihrer Lehrsätze, interpretieren und festlegen können diese Glaubenswahrheiten aber nur der Papst und die Bischöfe. Und was einmal festgelegt wurde, gilt als endgültig wahr und ist, wie beispielsweise die »unbefleckte Empfängnis« Marias, dann von allen Katholiken auch in alle Ewigkeit so zu glauben. Zwar stellt die Bibel also auch bei den Katholiken grundsätzlich das Fundament des Glaubens dar, der normalsterbliche Katholik kann, wenn er sich an die Regeln der Kirche hält, jedoch nicht selbst, sondern nur vermittelt über die Lehre von Papst und Bischöfen auf diese Grundlage zugreifen. Was dem Katholiken eine Erleichterung sein mag, da er so nicht selbst herumrätseln und sich mit Widersprüchen auseinandersetzen muss, sondern immer genau weiß, was ihm die Kirche als wahr oder falsch vorgibt, ist dem Protestanten völlig fremd. Auch in den evangelischen Kirchen werden zwar unterschiedliche
Bekenntnisse als verbindlich angesehen, grundsätzlich gelten diese Aussagen jedoch als menschlich bedingt und daher auch offen für Interpretationen und Änderungen. Luther hatte schon in seinen 95 Thesen die Rolle der Kirche als Vermittlerin zwischen biblischer Überlieferung und Gläubigen scharf kritisiert. Er stellte auch später heraus, der gläubige Christ bedürfe einer solchen Vermittlung nicht, sondern sei sehr wohl selbst in der Lage, die biblischen Schriften angemessen auszulegen, wenn sie ihm nur in verständlicher Form zugänglich gemacht und nicht vorenthalten würden. Man solle sich dabei nicht auf kirchliche Lehrmeinungen, sondern allein auf seinen Glauben, die Bibel, Jesus Christus und die Gnade Gottes verlassen. Sind Dogmen als Fundament des Glaubens für evangelische Christen also unvorstellbar? Auch in evangelischen Kreisen gibt es zunehmend wieder Gemeinschaften, die viel rigoroser noch als die römisch-katholische Kirche Glaubenssätze festlegen. Da wird die Bibel zur unbedingt wörtlich zu interpretierenden Grundlage der Lebensgestaltung, und sogenannte »Gaben des Heiligen Geistes«, die besonderen Begabungen von Menschen der Bibel ähneln, werden zu eindeutigen Zeichen des Erwähltseins. Die Evolutionslehre wird verworfen, da sie nicht mit den Überlieferungen der Bibel übereinstimmt, und es wird gefordert, die Kinder nur noch nach der Bibel zu unterrichten. Versprechen solch eindeutig formulierte Glaubenssätze zunächst Sicherheit und Klarheit darüber, was denn nun richtig und falsch sei in unserer unübersichtlichen Welt, führen sie andererseits auch gefährlich schnell zu Stagnation, Verschlossenheit und Angst gegenüber allem, was den eigenen Grundsätzen nicht entspricht. Christen tun also gut daran, sich an die Richtschnur Luthers zu erinnern und ihre eigene Glaubensmündigkeit nicht zugunsten von Dogmen aufzugeben. Die Bibel, nicht kleinkariert wörtlich, sondern als Fundus von Erzählungen der Menschen über Gott und ihren Glauben an ihn verstanden, reicht als Glaubensgrundlage völlig aus.

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