Kleines Lexikon christlicher Irrtümer - von Abendmahl bis Zungenreden
auch hier und heute noch eine wichtige Rolle spielen. Engel lassen sich zwar nicht objektiv nachweisen, aber dennoch erfahren. Sie tauchen dort auf, wo etwas Transzendentes, etwas aus dem göttlichen Bereich, in unsere scheinbar so geschlossene und erklärbare Lebenswelt hineinwirkt.
Durch EVA kam die Sünde in die Welt
Ein vor allem unter Männern sehr beliebter Irrtum. Bei der Vorstellung einer nackten Eva im Paradies kann Mann doch nur auf sündige Gedanken kommen! Adam aber dachte sich zunächst einmal nichts. Wie man im Paradies so vor sich hinlebt, lebten Adam und Eva dort in Unschuld nichtsahnend in die Tage hinein,
dösten im Grase nebeneinander oder naschten von süßen Früchten und hielten sich an das Verbot, die Früchte vom Baum der Erkenntnis, den Gott mitten in den Paradiesgarten gepflanzt hatte, zu essen. Bis die Schlange kam. Denn »da sprach die Schlange zur Frau: an dem Tage, da ihr davon esst, werden eure Augen aufgetan, und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist. Und die Frau sah, dass von dem Baum gut zu essen wäre und dass er eine Lust für die Augen wäre und verlockend, weil er klug machte. Und sie nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann, der bei ihr war, auch davon und er aß. Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan und sie wurden gewahr, dass sie nackt waren, und flochten Feigenblätter zusammen und machten sich Schurze« (1. Mose 3,4ff). Als Gott am Abend seinen Spaziergang durch den Paradiesgarten machte und Adam mit seinem Feigenblatt hinter einem Busch versteckt fand, wusste er gleich, welch neue Gedanken Adam nun hatte, und stellte ihn zur Rede. Adam jedoch wies die Schuld von sich und meinte, Eva sei die Übeltäterin gewesen, schließlich habe sie ihm die Frucht ja gegeben. Und obwohl Eva die Schuld auf die Schlange abschob, die sie ja erst auf die Idee gebracht habe, und obwohl Adam schließlich auch freiwillig hineingebissen hat: Bis heute ist Eva es, der vorgeworfen wird, die Sünde in die Welt gebracht zu haben. Findige Theologen wie Balthasar Hubmaier (ca. 1480 – 1528) meinten zum Beispiel, Adam habe natürlich gewusst, dass er da gegen Gottes Verbot handelte. Gegen sein Gewissen habe er jedoch die Frucht von Eva angenommen, damit die sich nicht aufregte. Selbstverständlich hätte er lieber nicht hineingebissen und wäre stattdessen seiner männlichen Neigung zur Vernunft und Tugend gefolgt. Armer Adam. Wer aber war nun tatsächlich schuld, dass Gott die Menschen mit dem Rauswurf aus dem Paradies bestrafte? Adam, Eva oder die Schlange? Vielleicht sogar Gott selbst – schließlich hat der den Baum ja so verlockend mitten ins Paradies gepflanzt? Eigentlich hätten sich die Männer ihre Jahrhunderte langen Bemühungen und spitzfindigen Ausreden sparen können, mit denen sie meinten, unbedingt
Eva die Schuld anlasten zu müssen. Um die Schuldfrage geht es in dieser Erzählung nämlich gar nicht. Etwas ganz anderes versucht die Geschichte zu zeigen. Dass die Menschen, die Gott nach seinem Ebenbild geschaffen hat, schon immer mit ihrer Schuldigkeit zu kämpfen hatten und dass diese Schuld die Kehrseite des (Selbst-)Bewusstseins ist, das den Menschen anders als den Tieren eigen ist. Das Paradiesleben war ein Leben im dumpfen Nebel der Unschuld – schön und langweilig. Die Schlange weckte in Eva die Neugier nach mehr. Mit der Erkenntnis, die den Menschen infolgedessen zuteil wird, geht allerdings auch die Selbstverantwortlichkeit einher. Wer Gut und Böse unterscheiden kann, kann auch bewusste Entscheidungen treffen und seine Unzulänglichkeiten und Fehler erkennen. Wer bewusst Entscheidungen treffen kann, kann sich auch bewusst gegen Gott stellen und damit sündig werden. Die Erzählung vom Sündenfall erklärt nicht, wie es dazu kam, sie stellt nur fest: Der Mensch lebt nicht mehr im Zustand der Unbewusstheit und kann nie wieder dahin zurück. Der Weg zurück ins bequeme Paradies-Einerlei ist versperrt. Von nun an ist das Leben mühsam, gefährlich und anstrengend. Die Sehnsucht nach den paradiesischen Bequemlichkeiten bleibt. Doch ist dies nur ein Unglück? Man kann es auch anders sehen: Ohne Evas Neugier wüsste heute niemand, wie es außerhalb des Paradieses aussieht. Unsere Erkenntnisfähigkeit macht uns zwar zu Sündern, unser Streben danach, Gott ähnlich werden zu wollen, beschert uns die oft deprimierende Erkenntnis unserer eigenen Unzulänglichkeiten. Aber erst durch die Erkenntnisfähigkeit ist der Mensch aus seinem langweiligen
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