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Klondike

Titel: Klondike Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A. Michener
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Windhauch würde sich dadurch zwängen können, aber sie schaffen es.« Zu spät stellte Fogarty fest, daß die Insekten auch über sein Gesicht hergefallen waren, indem sie durch einen winzigen Schlitz in seinem Netz drängten; sie hatten es bereits beim ersten Anlauf erspäht. Keine Öffnung, kein Loch in der Kleidung war zu unerheblich, als daß diese mörderischen Kreaturen es nicht genutzt hätten. Wie mörderisch sie waren, darüber wußte die Tradition der Arktis zu erzählen, die überreich war an Geschichten von ungeschützten Männern, die im Sommer festgehalten und von Millionen von Moskitos, die ihnen ohne Unterlaß zusetzten, in den Tod getrieben worden waren. Auch gab es viele Fälle, in denen Karibus oder sogar Pferde durch überwältigende und unbarmherzige Attacken getötet worden waren.
    In der gesamten Natur gab es kein vergleichbares Tier zum arktischen Moskito; glücklicherweise tauchte es nur wenige Wochen zum Ende des Frühjahrs und im Sommer auf, aber wenn seine Zeit angebrochen war, fürchteten sich die Menschen, und die Tiere suchten höhere Lagen auf, wo Winde die Plage fernhielten.
    An diesem gräßlichen Tag sollten die beiden Männer keine höhergelegene Zuflucht finden; es fand sich keine, meilenweit nur das unbarmherzige Tundrasumpfland, von Myriaden von Moskitos bevölkert, die ihre Überfälle in ungebrochenen Phalanxen aufrechterhielten. Am frühen Morgen wurde Lord Luton von einem solchen Schwarm heimgesucht - eine halbe Million vielleicht, die in Wellen auf ihn losging und den Himmel verfinsterte -, daß er vor Verzweiflung die Hände vors Gesicht warf, als die mörderischen Horden durch einen Riß im Netz eindrangen. In diesem Moment spürte er, hielt der Sturm den ganzen Tag über mit dieser Gewalt an, dann würde er tatsächlich rasend werden, wie man es von Karibus hörte, wenn sie unablässig von Moskitos angegriffen wurden.
    Zum Glück entdeckte Fogarty das Loch in Lutons Insektenschutz sehr schnell und flickte es mit ein paar Halmen, die er in die angrenzenden Maschen verwob. So wurde sein Herr gerettet, aber keiner von beiden hatte mehr Hoffnung, sie würden überleben, wenn diese höllischen Qualen noch Tage anhalten sollten, vor allem deswegen nicht, weil ihre Vorräte begrenzt waren und sie keine genaue Vorstellung davon hatten, wo die Berge im Westen genau lagen.
    Über Trinkwasser verfügten sie noch, und Fogarty machte den Vorschlag: »Milord, das war ein schlimmer Überfall, den Sie da über sich ergehen lassen mußten. Füllen Sie Ihren Magen mit klarem Wasser auf. Es gibt einem Menschen Mut, wenn er da unten etwas spürt ... egal, was.« Doch als der Ire Luton zu einem der Tümpel führte und sie sich gemeinsam hinknieten, um zu trinken, fanden sie die Wasseroberfläche übersät mit Abermillionen schwarzer, sich windender Larven, aus denen, noch während sie zusahen, fertige Moskitos schlüpften. In Schwärmen erhoben sich die Insekten von dem See, um sich ihres kurzen Lebens zu erfreuen, zwei, drei Wochen kreuz und quer über die Tundra zu jagen, ständig auf der Suche nach lebenden Wesen, in deren Körpern Blut strömte. Luton und Fogarty, als willkommene Köder ihnen in die Wiege gelegt, fielen sie so gnadenlos an, daß an Trinken nicht mehr zu denken war. In dieser verzweifelten Situation verlor Luton beinahe die Beherrschung: Er bebte, wehrte sich wie ein zur Niederlage verurteilter Boxer mit unwirklichen Bewegungen seiner Hände und blickte Fogarty hilflos an.
    Bevor er einen Ton herausbringen konnte und damit seine Selbstaufgabe offenbart hätte, sah er, wie sich hinter dem Iren etwas bewegte. War’s ein Tier, oder gar zwei? In der Erwartung, auch noch aus dieser Richtung angegriffen zu werden, rannte er zurück, um sein Gewehr zu holen, und hätte auf die vermeintlichen Tiere gezielt, wenn nicht Fogarty sein unsinniges Vorhaben im voraus geahnt und die Waffe im letzten Moment zur Seite gestoßen hätte, so daß die Kugel bloß durch die Moskitoschwärme schoß, die sich von der Wasseroberfläche erhoben.
    »Milord, es sind Indianer!« Als Luton das Gewehr senkte, erblickte er zwei Indianer vom Stamm der Han, von denen er zwei Vertretern schon mal an der Peelmündung begegnet war. Ein stämmiger, dunkelgesichtiger Mann mit schwarzem, knapp über den Augen in gerader Linie geschorenem Haar schritt auf sie zu, neben ihm eine lebhafte kleine Frau, um den Hals ein Kettenschmuck aus Seemuscheln und an den Füßen mit seltenen Perlenmustern verzierte Schuhe.

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