Klostergeist
stockte und schniefte.
Pius legte ihr die Hand auf die Schulter. »Es ist schon gut«, haspelte er und ließ die Bankiersgattin kurzerhand stehen. Er hatte keine Lust auf eine Beichte zwischen Tür und Angel – und seine Blase auch nicht.
Radio Donauwelle, euer Sender für den Kreis Tuttlingen mit Tom am Mikro!
Leute, ich bin noch ganz bewegt von Kollegin Anjas Bericht aus Spaichingen. Dass Jens-Uwe Engel, den wir Tuttlinger als knallharten Banker kennen, so viel Gefühl zeigen kann – Alle Achtung. Das stellt doch selbst die Beerdigung von Michael Jackson in den Schatten!
Apropos Schatten: ein Hinweis von Optik Gebrüder Karl, unserem Werbepartner. Sonnenbrillen in Gleitsichtqualität sowie eine kostenlose Reinigung von zwei Schmuckstücken eurer Wahl, ein Brillenetui, Tee, Kaffee und Sekt sowie die bereits laufende Rabattaktion stehen heute auf dem Programm.
In unserem Programm geht’s nach dem Verkehrsfunk mit ›The Power of Good Bye‹ von Madonna weiter – ein Tribut von eurem Radio Donauwelle an alle da draußen, die einen lieben Menschen vermissen.
Autofahrer haben in der Ortsdurchfahrt Spaichingen wieder freie Fahrt. Runter vom Gas bitte bei Neuhausen aus Richtung Tuttlingen, in Höhe der alten Kaserne stehen beidseitig Blitzer.
Thorben Fischer wand sich auf seinem Bürostuhl. Schon während der kurzen Autofahrt vom Leichenschmaus in die Polizeidienststelle hatte Verena bemerkt, dass der Norddeutsche offensichtlich zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem traditionellen schwäbischen Beerdigungs-Hefezopf gemacht hatte: Thorbens Kaldaunen blähten sich unter der Wirkung der Hefe offensichtlich auf und der Kollege bemühte sich nach Kräften, die Winde zurückzuhalten. Verena grinste in sich hinein. Irgendwann, das wusste sie, wurde ein heftiger Pups Thorben verlassen. Bis dahin aber gönnte sie ihm die Tortur. Schließlich sorgte er auf ganz andere Weise für Aufruhr in ihren Eingeweiden, ein Gefühl, das eigentlich nicht sein dürfte.
Schwungvoll setzte Verena ihre Unterschrift unter die Entlassungspapiere. Dann reichte sie diese über den Schreibtisch hinweg Thorben Fischer. Ein kurzer Gang zu den Arrestzellen würde ihm und seinem Darm sicher guttun. Weckerle hatte ja schon alles in die Wege geleitet und sogar einen Einwegrasierer, eine schwarze Krawatte aus dem Fasnetsfundus der Polizei und Mundwasser besorgt. Ersteres und Letzteres hatte er beim Schlecker auf Verenas Kosten gekauft.
»Lass den Hafen frei«, bat sie. »So leid es mir tut und so gerne ich ihm einen Denkzettel verpassen würde – wir können ihn nicht länger festhalten.«
»Aus Mangel an Beweisen, schon klar«, entgegnete Fischer und erhob sich. Im selben Moment fand der Pups den Ausgang und trat mit einem lauten Knall ins Freie. Thorben Fischer errötete.
»Prost«, entgegnete Verena trocken. »Der nächste Hefezopf wird harmloser, man gewöhnt sich dran.« Fischer stöhnte und machte auf der Hacke kehrt. Das gemurmelte »Blöde Schwaben« hörte Verena, die sich den Aktenstapeln zuwandte, nicht mehr.
Svenja am Abend grüßt alle Hörer! Hier ist Radio Donauwelle, euer Sender für den Kreis Tuttlingen.
Junge, Junge, das war wieder ein Tag. Hier im Sender geht’s drunter und drüber. Morgenmann Steven ist schon ganz von der Rolle, mal sehen, ob er morgen überhaupt am Mikro sitzt.
Hier ein Hinweis an alle Autofahrer: Die Straße zwischen Spaichingen und Aldingen ist nach einem Unfall gesperrt. Es gibt eine örtliche Umleitung – und ausnahmsweise mal einen Kommentar zum Unfall: Da ist, wie uns Hörer Mario aus Trossingen mitteilt, ein Wohnwagengespann auf einen Ü-Wagen des SWR aufgefahren. Mario hat ins Studio gemailt: Dort steht Frau Sonnlein mit dem Mikrofon in der Hand und berichtet von ihrem eigenen Unfall. Na, Kollegin, wenn das mal nicht professionell ist! Wenn mir nächstes Mal ein Pfeiler ins Auto springt, dann berichte ich auch live, vielleicht überzeugt das meinen Versicherungsagenten.
Für ihn und für alle, deren Auto eine Delle hat, spiele ich ›Ich geb Gas, ich will Spaß‹ von Markus. Go for it!
Nicht einmal die in feine Scheiben geschnittene Schwarzwurst, dünn bestrichen mit extra scharfem Senf, schaffte es, die Sorgenfalten auf Pater Pius’ Stirn zu glätten. Er bemerkte wohl, dass Bruder Johannes sich besondere Mühe gegeben hatte, die Vesper zuzubereiten. Doch seine Gedanken waren überall – nur nicht beim Schwarzbrot. Pater Wolfgang, der heute das Vorlesen während der
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