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Knochenhaus (German Edition)

Knochenhaus (German Edition)

Titel: Knochenhaus (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elly Griffiths
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verursacht Flint ihnen fast einen Herzinfarkt, als er schwerfällig vom Dach des Schuppens springt und mit einem Plumps im Gras landet.
    «Kommen Sie wieder rein», sagt Tanya. «Ich sehe mich hier gleich noch mal mit der Taschenlampe um.»
    Doch Ruth will nicht allein im Haus bleiben und folgt Tanya zurück in den Garten. Tanya lässt den Strahl ihrer Taschenlampe durch den kleinen Schuppen wandern. Das Licht streift die bunte Ansammlung rostiger Eisen- und Kunststoffgegenstände, den Sicherungskasten an der Wand, die Deckengehänge aus Spinnweben. Sonst ist nichts zu sehen. Tanya deutet auf den Sicherungskasten: Alle Schalter zeigen nach unten.
    «Das hat jemand gezielt gemacht», sagt sie. «Und sehen Sie nur, die Tür. Nicht eine Spinnwebe.»
    Sie leuchtet mit der Taschenlampe auf den Boden, und dort, zwischen einem Spaten und den Kunststoffschnüren der Wäschespinne, malt sich ein einzelner Fußabdruck in den Staub.
    «Bingo», sagt Tanya.
    Sie umrundet den Fußabdruck und schaltet die Sicherungen wieder ein, und gleich darauf fällt Licht aus dem Haus in den Garten. Tanya begutachtet den Abdruck ein paar Minuten von allen Seiten, dann sagt sie: «Na gut. Gehen wir wieder rein. Ich muss den Boss anrufen.»
    Während Tanya mit Nelson telefoniert, füttert Ruth Flint, der bereits seit einigen Minuten lauthals maunzt. Gedämpfte Gesprächsfetzen dringen zu ihr herüber: «Nein … gerade eben … keinerlei Hinweise … Täter ist entkommen … sorgfältige Suche … Fußabdruck … ein bisschen verstört … nein … jawohl, Sir.»
    «Er ist unterwegs», sagt Tanya, als Ruth wieder ins Wohnzimmer kommt. Sie wirkt nervös. Ruth kann sich vorstellen, dass es doch einigermaßen stressig sein muss, für Nelson zu arbeiten. Und sie kann sich beim besten Willen nicht vorstellen, einen anderen Erwachsenen mit «Sir» anzureden.
    Zehn Minuten später ist Nelson da, mit einem Kollegen von der Spurensicherung im Schlepptau. Tanya und Ruth sitzen inzwischen vor dem Fernseher und schauen eine stupide Sendung über die «fünfzig besten Werbe-Ikonen der Siebziger». Ruth tut das Knie weh, sie sehnt sich nach ihrem Bett. Tanya hockt ganz am Rand des Sofas und spielt mit ihrem Handy herum.
    «Schön, dass es Leute gibt, die noch Zeit zum Fernsehen haben», sagt Nelson zur Begrüßung.
    «Ja, wir machen uns hier einen netten, ruhigen Abend», schießt Ruth zurück. Nelsons schroffen Sarkasmus kann sie gerade überhaupt nicht brauchen. Doch Tanya errötet.
    «Ich dachte, das würde Ruth beruhigen», sagt sie. «Sie ist etwas durcheinander.»
    «Ich bin kein bisschen durcheinander», faucht Ruth.
    Nelson marschiert direkt in den Garten, gefolgt von Tanya und dem Spurensicherungsbeamten. Ruth bleibt im Haus. Sie weiß, dass sie jetzt eigentlich geschäftig Tee für alle kochen und schrecklich dankbar für so viel Polizeischutz sein sollte, doch sie ist einfach nur erschöpft und schlecht gelaunt. Und trotz allem, was sie Tanya erzählt hat, hat sie eine Heidenangst. Es ist schon schlimm genug, sich vor einem Wesen aus der Dunkelheit zu fürchten, aber ihm ins Gesicht zu fassen und seinen Atem zu hören, das ist noch deutlich schlimmer. Die Bedrohung kommt immer näher, sie steht schon fast vor ihrer Haustür, und doch, das bringt sie sogar sehr durcheinander.
    Sie setzt sich aufs Sofa, nimmt Flint auf den Schoß und starrt auf den Bildschirm, wo gerade die Außerirdischen aus einer alten Werbung für Kartoffelbrei zu sehen sind. Sie hat den Ton abgestellt, hört im Geist aber trotzdem die blechernen Stimmen, die sie an gemütliche Fernsehabende daheim mit ihren Eltern erinnern: Tomorrow’s World, Ein Mann im Haus, Das Haus am Eaton Place. Kein Wunder, dass ständig diese Nostalgiesendungen im Fernsehen laufen, das ist genau das Richtige für traurige Langweiler wie sie. Damals hat man komischerweise gar nicht gemerkt, dass man gerade das Goldene Zeitalter des Fernsehens erlebt. Man sah einfach, was gerade kam, mehr war nicht dabei. Den Großteil von Ruths Kindheit hindurch gab es nur drei Programme und keine Fernbedienung; um den Sender zu wechseln, musste man tatsächlich vom Sessel aufstehen. Und man sagte damals auch nicht «zappen», sondern «umschalten». «Wollen wir umschalten, Vater?» Das hat ihre Mutter jedes Mal gesagt, wenn Top of the Pops anfing, dabei hätte Ruth für ihr Leben gern Top of the Pops gesehen, wo sich lauter sündige Transvestiten zu Klängen verrenkten, die direkt aus der Hölle kamen. Beim

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