Knochenjagd (German Edition)
Steine verdammt teuer sind. Unvergänglich teuer.
Das war’s so ziemlich.
Alle dreißig Minuten unterbrach ich meine Nachforschungen, um Katy anzurufen. Jedes Mal schaltete sich der Anrufbeantworter ein. Mit einem mulmigen Gefühl kehrte ich an den Computer zurück.
Zwischen den gescheiterten Anrufen erfuhr ich Folgendes:
Erforderlich sind fünfundvierzig bis fünfzig Kilobar Druck bei einem Minimum von tausend Grad Celsius, um Kohlenstoff in einen Diamanten zu verwandeln. Die Temperatur sagte mir etwas, was ein Kilobar Druck ist, wusste ich nicht so recht.
Die passende Mischung aus Hitze und Druck existierte vor ein paar Milliarden Jahren in einer Tiefe von bis zu zweihundert Kilometern in Kratons genannten Gesteinsformationen – dichte, alte Schilde und Tafeln in den Kontinentalplatten.
Später schickten unterirdische Vulkane Magma – geschmolzenes Gestein – mit Mineralien, Gesteinsfragmenten und gelegentlich auch Diamanten durch die Kratons. Die Mischung dehnte sich unterwegs aus, kühlte sich ab und bildete entweder karottenförmige Pipes – also Schlote oder Röhren – zur Oberfläche oder breite, flache unterirdische Strukturen, die man Dykes nennt. Das Ganze verfestigte sich dann zu einem Gestein mit dem Namen Kimberlit.
Die meisten diamantenführenden Kimberlite stehen in Verbindung mit Kratons aus dem Archaikum, einer frühen Periode des Präkambriums, als die Erde noch viel heißer war als heute. Sehr viel heißer. Viele Kimberlit-Pipes liegen in flachen Seen, die sich in Kalderas genannten inaktiven Vulkankratern gebildet haben.
Also. Um Diamanten zu finden, sucht man nach einer Pipe, die aus einem wirklich alten Kraton aufsteigt. Ein Kinderspiel, richtig? Falsch, denn diese Dinger sind unglaublich schwer zu finden.
An diesem Punkt kamen Chuck Fipke und Stu Blusson ins Spiel. Beide wussten, dass der Slave-Kraton, der unter den Northwest Territories vom Great Slave Lake im Süden bis zum Coronation Gulf am Arktischen Ozean reicht, zu den ältesten Gesteinsformationen der Welt gehört. Und sie entwickelten eine sehr effektive Technik zur Exploration.
Fipke erkannte die Bedeutung von Indikatormineralien, den Reisebegleitern der Diamanten. Im Kimberlit gehören dazu: Kalziumkarbonat, Olivin, Granat, Phlogopit, Pyroxen, Serpentin, Gesteine des oberen Erdmantels und eine Reihe von Spurenmineralien. Fipke konzentrierte sich auf den Dreiklang aus Chromit, Ilmenit und G10-Granat mit hohem Chrom-und geringem Kalziumanteil.
Blusson erkannte die Bedeutung von Gletscherbewegungen in der letzten Eiszeit. Er nahm an, dass ein zurückweichender Gletscher, nachdem er eine Kimberlit-Pipe erodiert hatte, eine Spur aus Geröll zurücklassen würde, die Indikatormineralien für Diamanten enthalten müsste.
Ein Jahrzehnt lang suchten Fipke und Blusson die Tundra ab, kartografierten, vermaßen, nahmen Bohrproben und sammelten, wenn die Temperatur erträglich war, und analysierten das sichergestellte Material in ihrem Labor, wenn das Wetter zu schlecht war. Jeder in der Welt des Bergbaus hielt sie für verrückt.
Eines Tages flog Fipke, nur in Begleitung eines Buschpiloten, über den Lac de Gras, die Quelle des Coppermine River. Als er einen Wallberg entdeckte, eine bahndammähnliche Aufschüttung von Kies und Sand, die das Schmelzwasser eines zurückweichenden Gletschers hinterlassen hatte, befahl er dem Piloten, auf einer Halbinsel mit dem Namen Pointe de Misère zu landen.
Pointe de Misère war eine Gletscherscheide. Von Fipkes Standpunkt aus war das Eis nach Osten in die Hudson Bay, nach Norden zu den nördlichen Inseln, nach Süden ins zentrale Kanada und nach Westen in den Mackenzie River und den Blackwater Lake geflossen. Er hatte in dem gesamten sich nach Westen erstreckenden Areal, weit über fünfhunderttausend Quadratkilometer, Proben entnommen.
Zurück im Labor versuchte er das Muster zu verstehen, das seine Proben lieferten. Mithilfe großer, detaillierter Karten wertete er die Ergebnisse aus. Mit einem Elektronenmikro-skop untersuchte er Tüte um Tüte.
Seine Schlussfolgerung: Die Indikatorenspur begann am Blackwater Lake, breitete sich nach Osten aus und endete zweihundert Meilen nordöstlich von Yellowknife in der Nähe des Lac de Gras.
Er untersuchte den Inhalt von Probentüte G71. Sie enthielt über tausendfünfhundert Chromdiopsiden und über sechstausend Pyrop-Granate.
Fipke hatte seine Pipe gefunden. Oder seine Pipes.
Er fing an, wie ein Verrückter Claims abzustecken.
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