Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
KNOI (German Edition)

KNOI (German Edition)

Titel: KNOI (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schalko
Vom Netzwerk:
dass Geruch und Aufmerksamkeit nur den Ort gewechselt hatten. Tagelang schlich er ihr nach, aber ihre Wege waren von provokanter Belanglosigkeit. Supermärkte, Einkaufszentren, Parkanlagen, U-Bahnstationen, Kaffeehäuser. Als hätte sie ihn von Beginn an bemerkt.
    Donnerstag, 17. April

Heute wieder gefahren. Nirgends findet man Menschen, die richtig besetzt sind. Eine Supermarktkassiererin sieht nicht aus wie eine Supermarktkassiererin, ein Portier nicht wie ein Portier. Selbst die Passanten sind als Passanten völlig unglaubwürdig. Wenn man ein Kaffeehaus betritt, hat man nicht das Gefühl, von Kellnern bedient zu werden. Man fragt sich, ob Autofahrer überhaupt noch selbst lenken. Ob in Flugzeugen echte Piloten sitzen. Und ob ein Polizist im Ernstfall eingreifen könnte. Wir leben in einer falschen Welt. Und sie entlarvt sich, weil sie zu schlecht inszeniert ist
.
    Aber schließlich war die Liebe keine exakte Wissenschaft, sondern eine Nahkampfdisziplin, in der es am Ende nur darum ging, wer als Letzter den Raum verließ. Also blieb Jakob hartnäckig. Wenn er ihr einen Betrug nachweisen könnte, ergäbe sich daraus die Möglichkeit, ihr großspurig zu verzeihen. Er würde sie damit zum Schweigen bringen. Niemand würde ihm einen Vorwurf machen. Das ganze Projekt war doch genau darauf angelegt, irgendwann unbemerkt aus dem Bild zu rollen. Aber er hatte nicht mit dem Schrecken von Rita gerechnet. Hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn noch immer liebte.
    Rita hatte ihn durch die Stadt geschoben. Er hatte sich in ihr Bett gelegt. Er hatte gerochen, dass es ihre Seite war. Sie hatten einander geküsst. Hatten gelacht. Dann die Seiten gewechselt. Jakob hatte Lutz gerochen. Gerochen, dass es nicht nach Lutz roch. Dass es nach gar nichts roch. Er hatte gefragt, ob Lutz verreist sei. Sie hatte verneint. Ob er Angst habe, er würde plötzlich in der Tür stehen. Da könne sie ihn beruhigen. Er bohre Zähne, um das hier zu bezahlen. Er hatte gefragt, warum das Bett von Lutz frisch überzogen sei und ihres nicht. Sie hatte ihn angesehen, als habe er sie beschuldigt, die Leiche von Lutz zu verstecken. Sie hatte gesagt, sie habe die Bettwäsche nicht gewechselt. Doch, denn sie rieche nach nichts, nach absolut nichts. Er irre sich, hatte sie gesagt. Hätte sie das Bett frisch überzogen, würde es ja riechen, zumindest nach dem Weichspüler, aber das hier, da habe er Recht, rieche nach nichts, was aber daran liege, dass Lutz nach nichts rieche. Wenn das Bettzeug dieses Nichts bereits angenommen habe, dann heiße das, dass es längst gewechselt gehöre, was sich gut treffe, da es ja später vielleicht nach Jakob riechen würde. Und dann küsste er sie, und sie küsste zurück, und als sie merkte, dass er an etwas anderes dachte als an diesen Kuss, dass er sich aus dem Unüberlegten in eine Überlegung hineinbewegte, da zog sie sich plötzlich zurück. Da war tatsächlich ein Gedanke entstanden. Nämlich, ob Jennifers Geruchlosigkeit mit der von Lutz in Zusammenhang stand. Es war nur ein Gefühl, ein seltsamer Zufall, der jeder Logik und jeder Wahrscheinlichkeit entbehrte. Aber schließlich hatte Jennifer einmal nach Jennifer gerochen. Und als Rita seine Hand von ihrer Brust schob und sagte, sie könne das nicht, nicht sagte, sie wolle das nicht, sie könne es nicht, da sagte er, dass Jennifer ihn wahrscheinlich betrüge. Er sagte es, um seine Annäherung an Rita als Verbitterung zu tarnen, als gedankenlose Tat, als lindernden Moment. Er sagte es, um eine Arzt-Patienten-Situation herbeizuführen, und vielleicht kam Rita so die Idee, Lutz einzubinden, ihn als Köder vorzuschlagen, vielleicht, weil auch in ihr der Gedanke schlummerte, der sich unter Umständen mit dem Kuss übertragen hatte, dass Jakob über die gemeinsame Geruchlosigkeit eine Verbindung aufgespürt hatte. Vielleicht hatte Rita aber auch Angst, ihre eigene Endgültigkeit wäre endgültiger als die von Lutz.
    Und so saß Jakob eine Woche später im Wartezimmer, um sich die Zähne machen zu lassen. Eigentlich, um sie kontrollieren zu lassen, aber wenn man so lange bei keinem Zahnarzt gewesen war, dann bedeutete Kontrolle automatisch Behandlung. Lutz betäubte die ganze obere Seite und begann zu bohren, ohne Jakob damit zu behelligen, wie viele Zähne wovon betroffen waren. Jakob fragte nicht nach, die Gedanken waren zu gut weggesperrt. Das Lidocain umschloss sein Gehirn wie ein geliehener Schlaganfall. Auf jeden Fall dürfe er mehrere Stunden nicht essen, sagte

Weitere Kostenlose Bücher