Koch zum Frühstück (German Edition)
vermutlich noch weniger der Typ, der auf Familienleben steht, als ich es bin. Mit dem Unterschied, dass er dafür – im Gegensatz zu mir – keine sonderlich gute Ausrede hat.
Seine Eltern akzeptieren, dass er schwul ist. Behauptet er jedenfalls. Ich kenne sie nicht wirklich persönlich, sie waren einmal mit ihm zusammen im Restaurant, kurz nachdem ich den Stern bekommen hab'. Und ob er ihnen gesagt hat, dass zwischen uns was läuft, weiß ich gar nicht so genau. Interessiert mich auch nicht. Ich bin nicht besonders gut in Beziehungen. Und noch schlechter in Familienanschluss.
Jedenfalls in der Theorie, denn praktisch hatte ich noch nie was mit Typen, die auf so was stehen. Und ich hab' noch nie offiziell die Eltern von irgendwem kennengelernt, mit dem ich vögle. Leg' ich allerdings auch keinen gesteigerten Wert drauf.
»Hunger?«, frage ich ein bisschen dämlich. Es ist fast Mitternacht, vermutlich hat er sich längst was bestellt.
Ich koche selten zu Hause, so richtig und für uns beide hab' ich bestimmt ein Jahr nichts mehr gemacht. Wenn ich etwas ausprobiere, mache ich das meist, bevor ich gegen Mittag ins Restaurant muss und wenn ich ihm dann was übrig lasse und in den Kühlschrank stelle, finde ich das romantisch. Aber es fällt mir leichter zu reden, wenn ich beschäftigt bin. Außerdem hab' ich heute Mittag während der Besprechung kaum was runter bekommen.
Ich könnte was aus dem roten Thunfisch machen, den ich gestern mitgebracht habe. Ich wollte damit zwar eigentlich ein neues Tartar ausprobieren, das ich zusammen mit einem Sashimi servieren könnte. Vielleicht auf einem Püree aus Zuckererbsen und Wasabi, weil ich mir dachte, dass die Kombination daraus ganz interessant werden könnte. Hatte ich eigentlich für morgen auf dem Plan, aber ich fürchte, jetzt muss er schnöde als Belag für Tramezzini herhalten.
»Bin ziemlich satt. Ich hatte eine Pizza. Frank war kurz da. Wir haben was bestellt und eine Flasche Wein aufgemacht.«
»Kein Problem.«
Keine Ahnung, wer Frank ist. Aber irgendwie klingt es so, als müsse ich ihn kennen. Und so viel Pietät, dass er mir den Kerl, mit dem er nebenher grade was am Laufen hat, nicht vorstellt und meinen Wein mit ihm trinkt, hat er dann doch. Ich glaube auch nicht, dass er es mit dem anderen hier in der Wohnung treibt. Keine Ahnung, wo er sich mit seinem jeweiligen Liebhaber vergnügt.
Dass wir letzten Freitag mal wieder miteinander geschlafen haben, war jedenfalls die Ausnahme. Weil ich sonst selten vor zwölf nach Hause komme und er dreimal die Woche morgens pünktlich um acht in der Redaktion sein muss. Er arbeitet in einem ziemlich renommierten Verlag. Seit kurzem ist er sogar stellvertretender Chefredakteur bei deren Wirtschaftsmagazin.
Als wir uns kennen gelernt haben, hat er noch für eine Frauenzeitschrift geschrieben. Er hat mich dafür porträtiert, kurz nachdem ich den Job als Küchenchef im ‚Reuter's‘ übernommen und ein bisschen Aufmerksamkeit erregt hatte. Irgend so eine Sache von wegen ‚Der kleine Junge am Herd‘ . Tolle Anspielung auf mein Alter und meinen Nachnamen. Ich glaub' die Zeitschrift mit dem Artikel hab' ich sogar noch.
»Okay, wenn du nicht mitisst, mach' ich mir eben ein Sandwich.« Ich sollte Tramezzino sagen. Klingt besser, immerhin hat der Thunfisch einen Kilopreis von fast achtzig Euro. Im Einkauf, wohlgemerkt.
Mein Blick streift die leere Weinflasche neben der Spüle. Wenigstens hat er nicht den teuersten genommen.
Ich öffne den Kühlschrank und nehme den Fisch, wasche zwei Tomaten unter kaltem Wasser und lege sie auf ein Brett. Dann greife ich nach einem meiner Messer, die niemand außer mir anrühren darf, und beginne, die Tomaten zu zerkleinern.
»Ich war heute beim Jugendamt«, sage ich leise in das schnelle, rhythmische Geräusch hinein, das die Klinge auf dem Brett hinterlässt.
»Wo?« Abwesend sieht er vom Laptop auf.
»Beim Jugendamt«, wiederhole ich lauter, nehme eine Schüssel und gebe die klein gewürfelten Tomaten hinein. Lauch wäre gut, hab' ich aber nicht da.
»Können die sich dich leisten? Und wolltest du nicht aufhören mit Catering, weil du als Sternekoch nicht mehr jedem den Arsch hinhalten wolltest?« Es klingt amüsiert.
»Wir catern nicht mehr«, sage ich. »Schon seit ein paar Wochen.«
Ich kann nicht jedes Wochenende zwei oder drei Leute dafür abstellen, beschissene Butterbrote zu schmieren.
»Aber es ging auch nicht um einen Auftrag zum Catering, sondern um meine Schwester.«
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