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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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selbst vor dieser Hochzeit gewarnt hat. Sophie hat es mir erzählt. Die Pleß und die Schaumburg-Lippe bilden eine Mauer um sie, da komme ich allein nicht durch, das ist mir klar! Ich frage mich nur: Wieso kümmern sich zwei Fürstinnen um das Privatleben einer kleinen Küchenmamsell?«
    »Das frage ich mich, seit Sophie hier ist«, sagte Wanda. »Es ist alles so ungewöhnlich um sie herum. Diese tägliche Konversationsstunde bei Ihrer Durchlaucht – als Mamsell! Als wenn sie eine Hochgeborene sei! Wißt ihr, daß die Fürstin ihr drei neue Kleider geschenkt hat? Ich habe noch nie eins bekommen!«
    »Es ist vieles merkwürdig.« Leo Kochlowsky holte aus dem Rock ein ledernes Futteral und zog eine Zigarre heraus. Reichert riß die Augen auf.
    »Du rauchst Zigarren?«
    »Seit Ratibor. Seppenthal ist daran schuld. Nach einem Krach bot er mir als Friedenspfeife eine Zigarre an – ich habe sie ihm ins Gesicht geworfen. Hinterher tat mir die Zigarre leid, ich habe sie aufgehoben und geraucht. Ich fand Gefallen daran und bin dabei geblieben.« Leo zündete die Zigarre an, sah den Rauchwölkchen des ersten langen Zuges nach und meinte dann nachdenklich: »Deshalb muß ich mit den Eltern einig werden … wegen all dieser Merkwürdigkeiten um Sophie herum!«
    »Und du glaubst, daß du das schaffst?«
    »Mit eurer Hilfe.«
    »Was können wir da tun?« fragte Wanda sofort abweisend. Neue Konflikte wegen Kochlowsky waren keine gute Zukunftsaussicht.
    »Alle Briefe an Sophie werde ich ab sofort an eure Adresse senden. Und Sophie wird euch ihre Briefe geben. Auch die an ihre Eltern.«
    »Wir machen uns mitschuldig an allem, was noch passiert«, stöhnte Jakob Reichert. »Und wenn das ruchbar wird, verlieren Wanda und ich unsere Stellung.«
    »Mit anderen Worten: Du ziehst uns ins Unglück!« Wanda zerkrümelte nervös ein Stück Butterkuchen auf ihrem Teller. »Wir wollen auf Pleß bleiben. So gut werden wir es nirgendwo anders haben! Das Vertrauen der Durchlauchten, die schöne Wohnung, das Deputat – das alles sollen wir deinetwegen aufs Spiel setzen? Das kannst du nicht verlangen, Leo.«
    »Die Angst des Pöbels um die Futterkrippe!« sagte Kochlowsky bitter. Er stand auf und ging zum Fenster. Es schneite wieder. Der Winter 1887 war hart in Schlesien. Das Land versank unter den Schneemassen.
    Ich kann sie verstehen, dachte Leo, auch wenn ich sie beleidige. Sie haben ja nichts als ihre gute Stellung und ihre Wohnung. Ihr Leben hat einen Raum von ein paar Quadratmetern. Geht es mir anders? Mache ich mir nicht auch Sorgen: Wie kann ich eine Familie ernähren? Wo soll sie wohnen? Wo sollen die Kinder aufwachsen? Auf Lubkowitz in der Einsamkeit? Nie! Sophie mit mir in der Verbannung – welch ein Gedanke! Ich suche noch – aber Jakob und Wanda haben ihren endgültigen Lebensraum gefunden. Ich sollte sie nicht als feigen Pöbel beschimpfen.
    »Ich war ungerecht«, sagte Kochlowsky gepreßt, ohne sich umzudrehen. »Jakob, Wanda … verzeiht mir.«
    Reichert starrte entsetzt seine Frau an. Leo bittet um Verzeihung! Gott im Himmel – er muß schwer krank sein, lag in seinem Blick. So kann ein Mensch wie Leo sich nicht ändern!
    Bei Einbruch der Dunkelheit kam der Kutscher Philipp Bladke mit dem geschlossenen Schlitten, um Kochlowsky wieder abzuholen. Das Pferd dampfte in der Kälte, Bladke wärmte sich bei seinem Kollegen Reichert mit drei Kümmelschnäpsen auf und nahm einen halben Stollen mit, den Sophie gebacken hatte. Er war nach Dresdener Art zubereitet, mit einer Marzipanfüllung in der Mitte, mit viel Zitronat, Rosinen und reiner Butter.
    Sophie kam zum Abschied nicht mehr ins Remisenhaus. Sie stand jetzt der fürstlichen Küche vor und hatte keine Minute Zeit. Wozu auch ein langer Abschied? Man war sich einig. Die Zeit sollte für ihre Liebe kein störender Faktor mehr sein, die Zeit sollte im Gegenteil für sie arbeiten. Mehr brauchte man nicht, um zu hoffen, wenn man erst siebzehn Jahre alt war.
    In seinen Pelzmantel gehüllt, die Pelzmütze tief ins Gesicht gezogen, stieg Leo Kochlowsky schnell in den Schlitten und warf den Schlag zu. Philipp Bladke wickelte ihn fest in die Decke aus Hundefell. Am besten war Stroh bei dieser Kälte, so, wie es die polnischen Bauern machten: ein Schlitten voll Stroh, in das man sich mit den Pelzen hineinwühlte. Aber das konnte man dem Herrn Verwalter ja nicht anbieten.
    Am Fenster sahen Jakob und Wanda der Abfahrt zu. Sie winkten noch einmal hinaus zu Leo, und Kochlowsky hob die Hand.

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