Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
offenen Haaren …«
»Nun brüll nicht wieder!« sagte Wanda laut.
Kochlowsky löste sich vom Fenster und ging in den kleinen Vorraum. Die Haustür flog auf, und wortlos, mit ausgebreiteten Armen, warf sich Sophie ihm an die Brust. Er legte die Arme um sie, drückte sie fest an sich, vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und schloß die Augen.
»Sophie«, sagte er leise. »O Sophie …«
Und sie flüsterte: »Leo! Endlich, endlich … Leo …« und begann vor Glück zu weinen.
Auf Zehenspitzen ging Reichert zurück ins Schlafzimmer. Wanda saß im Bett, das Federbett vor ihrem nackten Oberkörper aufgetürmt, und sah ihm mit zusammengezogenen Augenbrauen entgegen.
»Jakob, was hast du da wieder angestellt?« sagte sie. »Wir wollten doch mit allen Mitteln Sophie vor ihm schützen …«
»Es hat sich vieles geändert, Wanda.« Reichert ging zur Tür, schloß sie ab, zog seine Hochzeitshose wieder aus und hängte sie korrekt gefaltet wieder über die Stuhllehne. »Einen Mann, der sich für eine Frau auspeitschen läßt, kann man nicht übersehen …«
XV
Den ganzen Tag über verbarg sich Leo Kochlowsky in der Wohnung von Jakob Reichert. Das war das sicherste Versteck, denn Reichert und Wanda hatten drei Tage ›Hochzeitsurlaub‹ bekommen, und niemand störte sie. Man gönnte ihnen diese drei Tage, Jakob und Wanda waren ja überall beliebt, und jeder im Schloß freute sich mit, daß diese Hochzeit zustande gekommen war.
Sogar Eugen und Louis Landauer blieben in der Stadt Pleß und respektierten Reicherts neuen Ehestand. Ihre große Stunde kam erst Weihnachten, wenn Wanda das grandiose Gemälde enthüllen würde, zu dem Eugen ein Gedicht geschrieben hatte, das mit den Versen begann: »Auch wer nicht kennt des Orientes Freuden – dem öffnet sich das Herz nach diesem Blick …«
Es war allerdings abzuwarten und noch gar nicht zu übersehen, wie Jakob Reichert auf dieses doppelte Kunstwerk reagieren würde.
Sophie mußte anstelle von Wanda die Leitung der Küche übernehmen – eine Ehre in so jungen Jahren, die ihr heftigen Neid bei den anderen viel älteren Küchenmamsellen einbrachte. Sophies neues Amt war übrigens auf die letzte Anordnung der Baronin von Suttkamm zurückzuführen; noch vor Weihnachten wollte sie Pleß verlassen und eine neue Stellung bei einem Grafen in Meißen annehmen, einem unehelichen Abkömmling des potenten August des Starken von Sachsen.
Die Fürstin von Pleß hatte die Kündigung der Baronin sofort angenommen. Seit Monaten – das hatte sie bemerkt – schwelte zwischen Sophie Rinne und der Hausdame eine so unüberbrückbare Antipathie, daß auf die Dauer nur eine von ihnen im Schloß bleiben konnte. So war die Fürstin froh, daß Elena von Suttkamm von sich aus den richtigen Ausweg fand.
Auch der Erste Bereiter des Fürsten, Jan Pittorski, verließ zum neuen Jahr Schloß Pleß. Obwohl der Fürst ihm ein höheres Gehalt und die Stellung eines Stallmeisters anbot, war Pittorski nicht zum Bleiben zu bewegen. Er wollte ins Polnische zurück. Er sei ja Pole, sagte er, ein Nationalpole, der für die Freiheit seines Landes und seine Souveränität kämpfen wolle.
Das war ein Argument, das den Fürsten überzeugte. Ein Revolutionär unter seinem Personal war das letzte, was er gebrauchen konnte. Pittorskis wahrer Kündigungsgrund – Katja Simansky, die bereits seit drei Monaten in einem Woiwodenhaushalt tätig war – kam nie zur Sprache, auch nicht, daß der Pole nun keine Möglichkeit mehr sah, Kochlowsky doch noch für alle persönliche Schmach zu bestrafen.
»Du siehst, kaum bist du weg, ist die Luft sauber, rein und genießbar«, sagte Reichert zu Leo Kochlowsky. Nach der kurzen Hochzeitsnacht saßen die beiden Männer und Wanda beim Frühstück am Tisch, tranken Tee mit Rum und aßen von Wandas selbstgebackenem Butterkuchen. »Darf man fragen, was nun zwischen dir und Sophie besprochen worden ist?«
»Nichts!« sagte Kochlowsky und starrte gegen die Wand. »Macht euch nicht in die Hosen: Die Luft auf Pleß wird rein bleiben! Wir müssen versuchen, Sophies Eltern auf unsere Seite zu bekommen.«
»Und wie?«
»Vielleicht fahre ich im Frühjahr selbst nach Bückeburg.«
»Das wäre das beste.« Wanda blinzelte unverschämt. »Die Mutter nennst du einen Thekenwetzer und den Vater einen Sackträgerlümmel … Werden die über ihren Schwiegersohn jubeln!«
»Mit euch kann man nicht reden!« Leo schob seine Teetasse angewidert weg. »Ich weiß jetzt, daß die Fürstin Pleß
Weitere Kostenlose Bücher