Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Zimmer hin und her.
»Eberhard von Seynck!« murmelte er. »Ich liege zu Ihren Füßen! Vor meinen Füßen wirst du liegen und mir die Stiefel lecken! Sophie, Sophie, das kannst du doch nicht tun! Sprich doch erst einmal mit mir! Sophie, ich liebe dich!«
»Das Pferd ist fertig!« brüllte von draußen der Knecht.
Kochlowsky rannte hinaus, warf sich in den Sattel und galoppierte davon.
Minuten später schrak Jakob Reichert auf. Er lag schon im Bett, voller Gram und elender Gedanken, denn Wanda hatte ihm urplötzlich erklärt: »Heute nicht! Und morgen auch nicht. Machen wir mal Pause.«
Reichert verstand das nicht. Bisher war es immer Wanda gewesen, die mit gurrender Stimme gesagt hatte: »Heute ist die Tür offen, mein Wölfchen.« Was war geschehen? Hatte er etwas falsch gemacht? War er – Gott, laß es das nicht sein, es würde mich in Trübsinn werfen – vielleicht doch zu alt für Wanda?
So lag Jakob Reichert also auf seinem Bett, zerquält von allen möglichen bitteren Vorstellungen, als es an die Fensterlade klopfte. Reichert fuhr beglückt hoch.
»Wanda?« rief er.
»Laß die Hose an!« schrie eine bekannte Stimme hinter dem Fenster. »Ich bin's!«
Reichert rannte zur Tür, schloß sie auf und ließ Kochlowsky eintreten. Leo sah fürchterlich aus, die Haare wirr, der gepflegte Bart zerzaust, die Augen flackernd. Man konnte sich vor ihm fürchten.
»Dich kann ich jetzt am wenigsten gebrauchen!« sagte Reichert abweisend. »Was du auch hast: Mit uns ist es aus! Herr Verwalter, ich ersuche Sie …«
»Mach das Maul zu, du Nußknacker!« Leo hielt das Billtet hoch. »Siehst du diesen Zettel?«
»Dämliche Frage!«
»Ich träume also nicht? Ich bin nicht wahnsinnig?«
»Das letzte wäre zu untersuchen …«
»Dieser Zettel lag im Eierkorb von Sophie …«
»Korrekt wie immer: eine schriftliche Bestellung! Hast du selbst verlangt!«
»Wenn du einmal deine dummen Reden einstellen könntest!« schrie Leo Kochlowsky. »Ich lese dir vor, was hier steht: Ich liege zu Ihren Füßen. – Eberhard von Seynck …« Seine Stimme brach fast. »Was sagst du nun?«
Jakob Reichert war völlig verwirrt. Die Dinge schlugen über ihm zusammen. Dennoch sagte er impulsiv: »Bravo!«
»Wozu bravo?«
»Du hast einen Nebenbuhler!«
»Und das freut dich?« brüllte Kochlowsky.
»Auch noch einen von Adel! Damit bist du für Sophie eine Null! Gott, ich danke dir. Jeder andere ist besser als du …«
»Ist … ist das alles, was du dazu zu sagen hast, Jakob?« fragte Kochlowsky mit plötzlich dumpfer Stimme. Er sank auf Reicherts Bett und legte den Zettel auf das Kopfkissen. »Ich bekomme einen Herzschlag …«
»Bitte nicht auf meinem Bett! Setz dich aufs Pferd … Du wolltest immer im Sattel sterben.«
»Wer ist von Seynck?«
»Völlig unbekannt.«
»Ein Unbekannter kann nicht solche Zettel schreiben!«
»Es kann ein alter Zettel sein.«
»In einem neuen Eierkorb?«
»Das scheint allerdings widersinnig!« Reichert beugte sich über den Zettel, ohne ihn zu berühren. Eine geschwungene, schöne, elegante Handschrift. »Eberhard von Seynck …«, murmelte er.
»Ich hasse alle, die Eberhard heißen!« Kochlowsky schlug mit den Fäusten auf die Matratze. »Wie kommt Sophie an diesen Burschen?«
»Völlig rätselhaft.«
»Ihr bewacht sie doch wie einen Kronschatz!«
»Vor dir! Nur vor dir …«
»Und ein Von-zu-von-hinten macht sich an sie heran! Ihr Idioten!« Kochlowsky riß das Billet wieder an sich und steckte es ein. »Ich muß mit Sophie sprechen!«
»Nur über meine Leiche, Leo – das weißt du!«
»Du Hornochse, ich will sie heiraten!«
»Der Himmel verhüte dieses lebenslange Unglück!«
»Aber ein Adeliger darf sie anfassen!«
»Das werden wir sofort verhindern.« Reichert zog seinen Rock an und schlüpfte in die Schuhe. »Auch wenn ich ausgesperrt bin, ich hole Wanda!«
»Was bist du?«
»Ausquartiert! Ich verstehe das nicht.« Reichert wischte sich über das Gesicht. »Ich bin verzweifelt, Leo! Teilt mir Wanda mit: ›Heute nicht, morgen nicht. Ich sag wieder Bescheid.‹ Als wenn ich ein Brötchenjunge wäre …«
»Vielleicht ist auch da ein ›von‹ dazwischengekommen?«
»Bei Wanda?«
»Sie sieht doch immer noch so aus, daß man einen heißen Kopf bekommt.«
»Danke, Leo.«
»Wofür?«
»Du hast endlich mal was Nettes über Wanda gesagt!« Reichert griff zur Mütze. »Los, gehen wir zu ihr. Ich halte mich an kein Verbot mehr. Die Sache mit Sophie muß geklärt werden. Und du
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