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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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kostbare Geschenke bekommen.« Anne schluckte. Seit sie mit Feder und Tinte umgehen konnte, kannte sie die Prozedur und wusste sich auch in diesem Jahr nicht zu entscheiden, ob das Schreiben von Dankeskarten besser war oder Mr. Fidgets Vorträge. Noch beseelt von dem Gedanken an den Schatz, den sie unter ihrer Matratze verbarg, setzte sie sich am späten Vormittag artig an den Esstisch, auf dem Phibbah die Geschenke vom Vortag übersichtlich drapiert hatte.
    Die Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters war nicht geschlossen. Anne neigte den Kopf ein wenig nach rechts und sah aus dem Augenwinkel, dass William Cormac Besuch hatte. Der Mann sah anders aus als alle Männer, die zuvor das Haus betreten hatten. Er trug keine Perücke, stattdessen einen silberbestickten weißen Dreispitz, unter dem lange, dunkelbraune Haare hervorquollen. An beiden Ohren baumelten schwere goldene Ohrringe mit funkelnden Diamanten. Wenn Anne ihren Vater zum Hafen begleitete, hatte sie manches Mal Matrosen gesehen, die Ohrringe trugen, aber niemals so wertvolle. Über den Schultern des Gastes lag ein langer Umhang, von einem Purpur, dass es beinahe in den Augen wehtat. Um besser sehen zu können, rutschte Anne vorsichtig von ihrem Stuhl und schlich näher zur Tür. Ihr Federkiel hinterließ einen Tintenfleck auf der soeben begonnenen
Karte. Anne reckte den Hals und konnte die Hände des Fremden erspähen. An jedem Finger, die Daumen eingeschlossen, blitzten Ringe, dick und glänzend. Das Gesicht des Mannes, sie konnte nur sein Profil sehen, war eher enttäuschend. Der Mann war unrasiert und machte keinen sehr gepflegten Eindruck.
    Anne rümpfte die Nase, da fiel ihr Blick auf den Degen, den er an der Seite trug. Ein Prachtstück. Wie die Scheide war auch der Griff üppig verziert und mit bunten Edelsteinen besetzt. Anne vergaß vor Staunen die Welt um sich herum und lauschte.
    »Ich kann die Ladung nicht einfach an Land bringen, das sehen Sie ein, Mr. Cormac. Es ist zu gefährlich. Sie sind mir als honoriger Geschäftspartner empfohlen worden, aber wenn Sie kein Interesse haben, wende ich mich an jemand anders. Ich kann Ihnen nur anbieten, dass Sie mit mir an Bord der Royal Queen kommen, die Waren in Augenschein nehmen und sich dann entscheiden. Am besten noch heute, denn ich muss mein Schiff kielholen und habe keine Ewigkeit zur Verfügung.« Die Stimme des Mannes war hart. William Cormac zögerte. Er zog an seiner Pfeife und sah aus dem Fenster. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper.
    »Gut, Mr. Hudson, geben Sie mir fünf Minuten. Ich lasse meinen Wagen anspannen und einen Sklaven holen, der mich begleiten wird.« Cormac erhob sich. Der Mann lachte tief und kehlig.
    »Angst, was? Ihr Kaufleute habt immer Angst, wenn ihr mit unsereinem zu tun habt. Dabei bescheren wir euch euren Wohlstand und sind an Land vollkommen ungefährlich.«
    »Fünf Minuten, Mr. Hudson, bedienen Sie sich.« Cormac stellte ein Glas und eine mit Rum gefüllte Kristallkaraffe vor seinen Gast und verließ das Zimmer. Erstaunt beobachtete Anne, wie der Mann die Karaffe ansetzte und in drei gewaltigen Zügen leerte. Dann stieß er einen Rülpser aus, der beinahe die Fensterscheiben klirren ließ, lehnte sich zurück und sah sich um. Durch den Türspalt erblickte er Anne und nickte ihr freundlich zu.
    »Du bist sicher die Tochter des Hauses?« Seine Stimme fuhr Anne durch Mark und Bein. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Das war ein Kaperfahrer! Es konnte nur ein Kaperfahrer sein. Mr. Fidget hatte ihr in seinen Lektionen über die britische Geschichte auch von Sir Francis
Drake erzählt. Schon dessen Beschreibung hatte ihre Neugierde geweckt, aber wie hätte sie jemals ahnen können, dass so jemand das Haus ihres Vaters betreten würde. Von Fidget wusste sie auch, dass Charleston ein beliebter Anlegeplatz für Händler und Kaufleute aus aller Herren Länder war. Wie töricht war sie gewesen zu denken, dass in Charleston nur gähnende Langeweile herrschte. Das Gegenteil war der Fall; man musste nur wissen, wo man das Abenteuer zu suchen hatte.
    Als ihr Vater kam, um seinen Gast zum Wagen zu begleiten, schloss er zu ihrem Bedauern die Tür, sodass Anne nichts mehr sehen konnte. Sie zerknüllte die ruinierte Karte und begann noch einmal von vorn. Es fiel ihr schwer, sich zu konzentrieren. Immer wieder schweiften ihre Gedanken zu Francis Drake und seinen Nachfolgern. Das letzte Billett war endlich geschrieben, da hatte Anne einen folgenschweren Entschluss gefasst.
    Mit Feder und

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