Koenigin der Meere - Roman
Einige von euch kennen ihn schon. Bonny hatte bis gestern Abend eine kleine Taverne am Hafen.« Die Piraten hießen Anne mit anerkennenden Pfiffen willkommen.
»Bonny hat noch jemanden mitgebracht.« Vane legte den Arm um Jubilos Schultern.
»Der Knabe heißt Jubilo und fährt als Schiffsjunge mit uns. Nehmt ihn unter eure Fittiche und bringt ihm bei, was es heißt, auf einer Slup zu segeln.« Jubilo grinste von einem Ohr zum anderen.
»So, Männer, jetzt wollen wir zusehen, dass wir alle ein bisschen Schlaf kriegen. Wir nehmen Kurs auf Jamaika und schauen mal, was uns auf dem Weg vor den Bug schwimmt. Wenn wir die erste anständige Prise gemacht haben, verspreche ich ein großes Fest!« Unter dem Beifall seiner Mannschaft zog sich Vane in die Kapitänskajüte zurück.
Jubilo ging zu Anne, die stolz und glücklich neben Rackham stand. Eben hatte der Quartiermeister ihr anerkennend auf die Schulter geklopft und geknurrt: »Furzdonnerschlag! Was Recht ist, muss Recht bleiben. Kleiner, ich hätte nie gedacht, dass dein Plan so gut funktioniert, aber das Feuerwerk war wirklich erstklassig und das Chaos, das wir hinterlassen haben, auch. Rogers wird sich vor Wut nicht einkriegen.« Anne sah sich um.
»Mr. Rackham, würden Sie mir bitte sagen, wo wir schlafen können.« Calico Jack lachte ein tiefes, kehliges Lachen.
»Such dir einen Platz auf oder unter Deck. Irgendwo wird schon noch ein Eckchen für dich und den Jungen sein. Wir haben hier keine Zimmer mit Betten.«
Charles Vanes Mannschaft bestand aus dreiundsiebzig Männern. Bis auf die kleine Gruppe, die den Betrieb des Schiffs über Nacht aufrechterhalten musste, und die Wachen, die im Vierstundenrhythmus eingeteilt waren, verteilten sich die Piraten überall auf Deck. Einige schnarchten schon laut und vernehmlich, als Anne endlich ein Plätzchen am Heck gefunden hatte. Zusammen mit Jubilo legte sie sich auf einen Haufen Taue und wunderte sich vor dem Einschlafen, dass niemand vor ihr die bequeme Schlafstätte besetzt hatte. Eine Stunde später wusste sie, warum. Die Taue lagen direkt neben dem Donnerbalken, den die Männer benutzten, um sich zu erleichtern.
Am Horizont ging glutrot die Sonne auf. Jubilo erwachte.
»Ich habe Hunger.« Er stapfte in Richtung Kombüse.
Rosebud, der Koch, ein grauhaariger Mann, dem der Skorbut die Zähne genommen hatte, stand an der Feuerstelle und rührte in seinem Kessel, während Küchenjunge Robert Tucker aus einem hölzernen Eimer Wasser in die ohnehin farblose Suppe schüttete. Beide begrüßten Jubilo freundlich.
»Komm her, Kleiner. Zwei Hände mehr sind immer willkommen.« Rosebud zeigte auf einen Berg frisch gebackenen Cassavabrots und reichte Jubilo ein scharfes Messer.
»Ordentliche Scheiben, damit die Männer was zwischen die Zähne kriegen.« Mit knurrendem Magen machte sich Jubilo an die Arbeit.
An Deck saßen die Männer in Gruppen zusammen, die nacheinander frühstückten. Wer seiner Arbeit nachging, wartete, bis der Koch rief.
»Langt ordentlich zu«, ermunterte Rackham die beiden Neulinge. »So was Gutes gibt’s auf der Fahrt nur, solange der Proviant frisch ist.« Anne betrachtete ihren Teller misstrauisch. In einer Brühe mit Fettaugen schwammen undefinierbare Fleischwürfel und ein paar Zwiebeln. Sie tunkte ihr Cassavabrot hinein und kostete. Die Suppe war höllisch scharf. Jubilo, der in seiner Gier gleich ein ganzes Stück Fleisch in den Mund genommen hatte, hustete mit tränenden Augen. Die Mannschaft grölte.
»Furzdonnerschlag! Ist wohl ein bisschen zu heftig gewürzt für dich. Wirst dich dran gewöhnen.« Rackham zeigte auf ein hölzernes Fass. »Hol dir Wasser, das hilft.«
Die Sonne brannte vom Himmel, das Meer war glatt wie ein Tischtuch, eine leichte Brise bauschte die Segel, und Anne hatte das Gefühl, sie führe auf direktem Wege ins Paradies. Gerade wollte sie Calico Jack fragen, was ihre Aufgabe für den Tag war, da hörte sie, dass jemand ihren Namen rief.
»Bonny, zum Kapitän!«
Frisch rasiert, duftend und elegant gekleidet, stand Charles Vane in seiner Kajüte.
»Komm näher, mein Junge.« Er leckte sich die Lippen. »Ich bin mit Mr. Rackham übereingekommen, dass wir einen richtigen Seemann aus dir machen. Das heißt, du fängst mit den einfachen Arbeiten an und wirst nach und nach schwierigere Aufgaben übernehmen.
Mr. Rackham wird dir zuteilen, was du zu tun hast. Und wenn zwischendurch Zeit ist, bringe ich dir Kartenlesen und Navigieren bei.« Anne bedankte sich
Weitere Kostenlose Bücher