Königin der Piraten
wird?«
Gray verbeugte sich höflich und elegant, worauf beide Mädchen in Entzücken ausbrachen. »Ja, meine Damen, ich bin ein Ritter. Nach der Schlacht bei Abukir hat der König mir den Orden verliehen.« Unter seinen langen Wimpern blinzelte er ihnen verschwörerisch zu. »Aber Ihr könnt doch nicht ernsthaft wollen, dass ich ihn anlege?«
»Ihr meint, Ihr habt ihn bei Euch?«
»Oh, Admiral, Ihr solltet ihn auf jeden Fall tragen!«, rief Aisling.
»Nun ja, ich ...«
»Bitte, Sir Graham!«
»Biiitteee!«
Gray zuckte die Achseln. Seine absichtlich fallen gelassene Bemerkung hatte den gewünschten Erfolg. »Also schön; ich werde ihn tragen ... wenn Ihr glaubt, dass es irgendetwas nützt.«
»Wo ist er?«
»In meinem Kleiderschrank«, erwiderte Gray betont gleichgültig. Sofort huschten die beiden zu dem Schrank hinüber und brachen bei jeder glitzernden Uniform, bei jedem schneeweißen Hemd in Ohs und Ahs aus, bis sie gefunden hatten, wonach sie suchten.
»Du liebe Güte! Sieh dir das an, Sorcha!« Ehrfürchtig nahm Aisling den Orden mit der roten Schärpe aus dem Schrank und trug ihn durch die Kajüte, als handelte es sich um die Kronjuwelen. Als Gray den Kopf senkte, legte sie ihm die breite Schärpe sorgfältig über die rechte Schulter. Durch seine langen Wimpern beobachtete Gray, wie Sorcha die Hand ausstreckte, um das fein gearbeitete, sternförmige Abzeichen zu berühren.
»Ihr seht fantastisch aus«, flüsterte sie mit großen Augen. »Ihre Majestät wird völlig hingerissen sein.«
»Glaubt Ihr wirklich?« Gray wandte den Kopf und betrachtete die leuchtend rote Schärpe, die so einen reizvollen Kontrast zu den goldenen Streifen auf seinen Schultern und seinem marineblauen Rock bildete. »Ich überlege hin und her, wie ich das Herz Eurer Kapitänin erobern könnte, aber ich bin beinahe mit meiner Weisheit am Ende ...«
»Also, zuerst sollten wir Euch einmal vorzeigbar machen.«
»Wie bitte?«
»Kekskrümel, Sir Graham«, erklärte Sorcha kichernd und errötete.
»O ja, natürlich.« Gray hob das Kinn und erlaubte den Mädchen, die Krümel von seinem Halstuch zu fegen; dann trat er zurück, um sich im Spiegel zu begutachten. Er rückte das Halstuch zurecht und fasste sich an das glatt rasierte Kinn. Seine Männer würden denken, er hätte völlig den Verstand verloren. So aufgetakelt ging er sonst nur zu den bedeutendsten offiziellen Anlässen - zu Unterredungen mit hochrangigen Vorgesetzten oder Audienzen bei Angehörigen des Königshauses.
Königlichen Hoheiten.
Ein verschlagenes Lächeln umspielte seine Lippen, und das Grübchen erschien an seinem Kinn.
»Ihr seht fabelhaft aus, Sir Graham.« Aisling faltete befriedigt die Hände.
Gray schenkte den Mädchen sein gewinnendstes Lächeln. »Gut genug, um der Piratenkönigin der Karibischen See den Hof zu machen?«
»Gut genug, um sie zu heiraten, Sir Graham! Aber jetzt hinauf an Deck mit Euch, damit sie Euch sehen kann.«
Er war fort. Gott sei Dank.
Gray in Schach zu halten und aufzupassen, dass sie ihr Herz nicht verlor, wurde allmählich zu anstrengend. Immerhin hatte sie in den letzten Tagen schon gegen die Spanier und den Tod selbst kämpfen und dazu ständig Grays Annäherungsversuche abwehren müssen. Maeve nahm den Strohhut ab, schloss die Augen und lehnte den Kopf an die Rückenlehne ihres Stuhls. Unter sich spürte sie das sanfte, gleichmäßige Schaukeln des mächtigen Kriegsschiffes, neben dem sich ihre Kestrel geradezu winzig ausnahm. Es war eine schwimmende Festung von Feuerkraft, erhabener Größe und brutaler, vernichtender Gewalt. Die leichte Brise spielte mit dem dicken Haar in Maeves verschwitztem Nacken; das Sonnenlicht spiegelte sich im Meer und schien ihr warm auf die geschlossenen Lider, sodass verschiedene Muster, Sterne und Punkte, darauf tanzten. Als ihr Kopf schwer zur Seite sank, wärmten die Strahlen ihr auch die Wange.
Maeve fiel in heilenden Schlummer und träumte ... von ihrem Vater ... von Gray, dem Piraten ...
Von Sir Graham, dem Admiral.
Als ein Schatten sich über sie legte, schlug sie blinzelnd die Augen auf.
Gray.
»Geh weg«, murmelte sie.
Er kniete nieder und hielt ihr eine Blume unter die Nase, doch sie wandte sich ab. Er kitzelte sie mit der Blüte unter dem Kinn. Am liebsten hätte sie ihn angebrüllt. »Lass das.«
»Nimmst du sie an?«
»Nein.«
»Bitte.«
»Nein.«
»Maeve ... es ist nur eine arme, unschuldige Blume. Zu denken, dass ihr ganzes Dasein nur den Sinn hatte, dass
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