Königin der Schwerter
über die Höhlen gebreitet, die alle G e räusche verschluckte.
Aideen eilte weiter. Sie ließ die Schlafkammern der anderen Hüterinnen hinter sich zurück und huschte an dem Gang vorbei, der zum Heiligtum führte. Die Tür stand offen, aber das war nicht ve r wunderlich. Das Heiligtum war nicht länger heilig. Zarifes Körper, der dort so lange geruht hatte, war zu Staub zerfallen. Den heiligen Dolch Benizes hatte Zarife an sich g e nommen. Noch am Abend waren Novizinnen g e kommen, um den Raum zu säubern. Andere hatten die getötete Oberin hinausgeschafft. Jetzt gab es dort nichts mehr, das gehütet werden musste.
Aideen war froh, dass die Novizinnen offenbar ve r gessen hatten, die Talglichter zu löschen. So war es hell in den Gängen, und sie konnte gut sehen. Wie eine Diebin schlich sie weiter zum Ausgang der Höhlen. Unter einem Vorwand stahl sie sich an der Wachh a benden vorbei und lief den Weg zum Felsenrund hi n auf. Es war eine kalte und windstille Nacht. Immer wieder blieb sie stehen, lauschte und spähte aufmer k sam voraus. Nichts regte sich, und kein Laut drang ihr an die Ohren. Sie war allein.
Ich wusste es, dachte sie bei sich. Ich wusste, dass das Gespinst mich belogen hat. Sie überlegte, ob sie umkehren sollte, da hörte sie in der Ferne eine leise Stimme. Jemand sprach.
Neugierig geworden, folgte Aideen dem schmalen Pfad, der sich zum Felsenrund hinaufwand. Je weiter sie ging, desto lauter wurden die Stimmen. Eine g e hörte eindeutig einer Frau, die andere war seltsam ve r zerrt und dunkel. Vorsichtig schlich A i deen weiter. Sie hatte Angst, aber ihre Neugier war stärker. Was g e schah da oben, mitten in der Nacht? War es wirklich Zarife, die dort sprach? Sollte das Gespinst mit seinen ungeheuerlichen Anschuldigu n gen am Ende gar recht behalten?
Nur die gewaltigen Felsen trennten Aideen jetzt noch von dem Rund. Weiter zu gehen wagte sie nicht, die Furcht, entdeckt zu werden, war zu groß. Leise schlich sie an den Felsen entlang und versuc h te einen Spalt zu finden, der breit genug war, um einen Blick ins Innere werfen zu können. Sie hatte Glück. Zw i schen dem dritten und vierten Monolithen gab es e i nen Durchlass, der fast eine Hand breit war. Aideen musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hi n durchzuspähen. Ihr Herz schlug so laut, dass sie glau b te, es werde sie verraten. Aber jene, die sich im Schutz der Felsen versammelt hatten, bemerkten sie nicht. Aideen hielt den Atem an und sah durch den Spalt. Zarife stand vor der geschwär z ten Wand, in der sich auch das Tor geöffnet hatte, und unterhielt sich mit zwei Gestalten, die Aideen nur als grün leuchtenden Schattenriss erkennen konnte.
… und hüte dich vor den Schatten . Ein eisiger Schauder lief ihr über den Rücken, als sie sich an die Worte erinnerte. Das grüne Leuchten war unhei m lich. Wer immer dort mit Zarife sprach, konnte kein Mensch sein.
… Schon lauern die Verdammten in ihrer finsteren Welt darauf, sich eurer zu bemächtigen …
Sollte es wirklich wahr sein? Plante Zarife ihrer aller Untergang? Aideen reckte sich und erkannte im Ei n gang zwischen den Felsen eine weitere Gestalt, die dort Wache hielt. Es war Mel.
»Beweise? Wozu braucht ihr Beweise?«, hörte sie Zarife fragen. »Ihr habt mein Wort. Genügt das nicht?«
Aideen konnte nicht verstehen, was die leuchte n den Wesen sagten. Sie nahm die Antwort nur als ein dumpfes Brummen wahr.
»Das ist jetzt nicht möglich«, entgegnete Zarife scharf. »Der Krieg hat noch nicht begonnen.« Als Antwort ertönte wieder das Brummen.
»Ihr habt mein Wort, dass ihr alle neue Körper e r halten werdet«, versprach Zarife. »Einen Körper für jeden, der für mich kämpft. So haben wir es beschlo s sen, und daran halte ich mich.«
Das sonore Brummen setzte wieder ein, verstum m te aber gleich wieder, als Zarife erneut die Stimme erhob.
»Nein, verflucht!«, rief sie zornig aus. »Euer Meister und ich haben nicht jahrhundertelang ve r handelt, dass er jetzt neue Forderungen stellt. Einen Körper für j e den Krieger, sowie das Verbot, anderen Göttern als eurem Meister zu huldigen. So war es abgemacht, und so wird es geschehen. Geht und sagt ihm, ich erwarte, dass die Krieger bereit sind, wenn ich das Tor öffne. So wie wir es vereinbart haben.« Sie schwieg einen Augenblick, dann holte sie tief Luft und führ etwas freundlicher fort: »Nun gut, ich will nicht kleinlich sein. Zum Beweis, dass ich keine falschen Verspr e chungen mache, werde ich euch
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