Königin der Schwerter
beiden noch heute Nacht neue Körper schenken. Die anderen müssen warten, bis der Angriff auf die R e bellen und das Heer beginnt.«
Der Angriff auf die Rebellen … Aideen traute i h ren Ohren nicht. Die Rebellen waren doch ihre Verbünd e ten! Hatte Bethia nicht gesagt, sie sammelten sich am Waldrand, um gemeinsam mit Zarife gegen Torpak zu kämpfen? Aideen war völlig verwirrt. Sie wünschte, Bethia wäre noch am Leben … Bethia . Als hätte sich ein Schleier gelüftet, sah Aideen die Seherin vor sich; mit schmerzverzerrtem Gesicht, die Hand auf die linke Brust gepresst, keuchend, Furcht im Blick.
»Das kleine Stück wird sie doch wohl noch durc h halten.« Spott lag in Zarifes Stimme.
Bethia lag am Boden. Ihre Lider flackerten. Schweißperlen glänzten auf ihrer bleichen Stirn. Plöt z lich riss sie die Augen auf. »Nein«, presste sie wie in Panik hervor. »Nein, nicht …«
Da war eine schlanke Hand auf Bethias Stirn – Z a rifes Hand.
Die Augen angstgeweitet, bäumte die Seherin sich auf Ihr Atem ging schnell. Ein seltsames Knistern e r tönte. Dann erschlaffte sie.
Aideen war zutiefst erschüttert. Endlich verstand sie, was das Gespinst gemeint hatte. Und sie erinne r te sich. Bethia war gar keines natürlichen Todes gesto r ben. Zarife hatte sie getötet, so wie sie auch die Oberin getötet hatte. Aideen zitterte. Schlimmer noch als die Erkenntnis, dass Zarife ihre Erinneru n gen verfälscht und sie als Werkzeug für den Mord an der Oberin benutzt hatte, war der Gedanke, dass dann auch alles andere wahr sein musste. »Sie ist böse«, hatte die Stimme gesagt. »Bethia und die Oberin waren nur die Ersten.«
Verrat. Aideen hatte das Gefühl, nicht länger st e hen zu können. Das Wort schwirrte in ihrem Kopf herum und setzte sich hartnäckig fest. Zarife hat nie vorgehabt, Benize zu befreien, dachte sie erschüttert. Sie denkt nur an sich. Das Gespinst hat recht. Sie hat uns alle verraten.
Aideen schluckte gegen die Angst an, die ihr die Kehle zuschnürte. Sie musste etwas tun, musste die anderen warnen – aber wie?
»Schaff mir zwei von den Frauen her«, hörte sie Z a rife in ihre Gedanken hinein zu Mel sagen.
»Aber Herrin.« Es war nicht zu überhören, dass auch Mel entsetzt war. »Das … das ist unmöglich. Wie wollen wir ihr Verschwinden den anderen erkl ä ren?«
»Ich bin niemandem eine Erklärung schuldig.«
»Dennoch … Bedenkt, damit wären so kurz nach dem Tod der Oberin und der Seherin zwei weitere Opfer zu beklagen. Das könnte Misstrauen wecken.«
»Du bist meine Beraterin«, sagte Zarife gedehnt. »Was schlägst du vor?«
»Wir haben Gäste in den Höhlen«, sagte Mel. »Zwei junge Frauen aus dem Waldland. Sie baten die Oberin darum, ihr als Hüterinnen dienen zu dü r fen. Niemand wird sich wundern, wenn sie es sich nach dem überraschenden Tod der Oberin anders überlegt und die Heimreise angetreten haben.«
»Na, das klingt doch wunderbar.« Aideen glaubte förmlich zu sehen, wie Zarife lächelte. »Dann ne h men wir die beiden.«
***
»… dann nehmen wird die beiden.« Sandra war en t setzt über die berechnende Kälte, die Zarifes Worten innewohnte. Mehr denn je war sie davon überzeugt, in einem furchtbaren, nicht enden wollenden Al b traum gefangen zu sein.
Was war nur geschehen? Seit sie sich in dieser fremden Welt als Gefangene in ihrem eigenen Kö r per wiedergefunden hatte, stellte sie sich unablässig diese Frage, hatte bisher aber keine Antwort gefu n den. Das Letzte, an das sie sich erinnern konnte, war, dass sie mit Manon das Ganggrab in Newgrange besucht ha t te. Sie waren hineingegangen, und es war dunkel g e worden.
Vielleicht ist dort etwas Furchtbares geschehen?, überlegte sie. Vielleicht gab es ein Unglück, eine Ex p losion, ein Attentat … irgendetwas, von dem man sonst nur in den Nachrichten erfährt. Vielleicht liege ich im Koma, irgendwo in einem irischen Kranke n haus, und dies hier ist eine Art Prüfung, die dazu dient, meine dunkle Seite zu überwinden, nachdem ein schreckliches Unglück mich fast in den Tod geri s sen hat.
Die Gedanken klangen sehr weit hergeholt, hatten aber etwas, dem sie sich nicht entziehen konnte. Sie war nie besonders religiös gewesen und hatte sich stets für zu jung gehalten, um sich darüber Gedanken m a chen zu müssen, wie der Tod wohl aussehen mochte und was danach kam. Aber Ivana, die sich für alles Spirituelle interessierte, hatte hin und wi e der davon gesprochen. »Dieses Leben ist nur eines
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