Königin der Schwerter
bald.« Sie wandte sich um und stieg die Stufen hinab.
Sandra schaute ihr nach und lauschte darauf, wie ihre Schritte sich entfernten. Sie war erleichtert. Auf unbestimmte Weise hatte sie das Gefühl, gerade ein großes Unglück verhindert zu haben. Andererseits wunderte sie sich aber auch über ihre heftige Rea k tion. Ivana hatte ihr doch nur helfen wollen. Vermu t lich war sie jetzt ebenso wütend wie Manon und gar nicht gut auf sie zu sprechen.
Sie schloss die Tür, ging ins Wohnzimmer zurück und setzte sich auf die Couch. Manon und Ivana ha t ten ihre Cocktails nicht ausgetrunken. Der A n blick der halbleeren Gläser stimmte sie traurig. Der Tag hatte so fröhlich begonnen – und jetzt?
Du brauchst sie nicht , wisperte es in ihren Geda n ken. Sie sind nicht wichtig .
»Blödsinn!«, sagte sie laut. »Es gibt nichts Wertvo l leres als gute Freunde.« Einer plötzlichen Eing e bung folgend, stand sie auf, holte den Affen aus dem Regal, stellte ihn vor sich auf den Tisch und sagte streng: »Wenn du glaubst, uns auseinander bringen zu kö n nen, hast du dich getäuscht.«
Das Telefon klingelte. Sandra sprang auf, fand den Apparat aber erst nach einigem Suchen unter den P a pieren auf dem Schreibtisch.
»Thorsen … Oh, Martina. Schön, dass du dich meldest. Hast du die Mail bekommen? … Und? Hat dir der Bericht von der Versteigerung gefallen? … Wie? Was soll das heißen: Nur Mist geschrieben? … Was? Ich habe die halbe Nacht daran gesessen und … Blödsinn, ich habe nicht geschlafen. Ich habe meine Notizen alle … Esoterik-Scheiße? Moment mal. Wie meinst du das? … Ja, das mache ich. Jetzt sofort. Dann werden wir ja sehen. Ich melde mich in ein paar Minuten wieder. Eye.« Sandra legte das Telefon fort und schaltete ihren Laptop ein. Endlose Sekunden verstrichen, dann endlich erschien die Mailbox. Drei Mausklicks genügten, und die E-Mail der Chefreda k teurin erschien auf dem Bildschirm. Sandra machte sich nicht die Mühe, den Text zu lesen. Unverzüglich öffnete sie den Anhang und überflog die Zeilen, die sie als Word-Dokument an die Redaktion geschickt hatte.
Versteigerung brachte nicht den erhofften G e winn.
Zeile für Zeile überflog Sandra den Text, den sie in der Nacht verfasst hatte. Alles schien seine Or d nung zu haben. Die Einleitung war objektiv und journali s tisch nicht zu beanstanden. Warum behauptete Mart i na, sie habe nur Mist zu Papier gebracht? Sandra las aufmerksam weiter: »So mysteriös und geheimnisvoll die Meldungen um den Tod der Gr ä fin auch gewesen sein mochten, so wenige potenzielle Interessenten ha t ten sich an diesem Abend zur Auktion eingefunden, um die verlorene Seele zu finden, die im Strom der Zeit auf der Suche ist. Dem Auktionator war schon zu Beginn der Veranstaltung …«
Sandra stockte und las die Passage noch einmal.
»… um die verlorene Seele zu finden, die im Strom der Zeit auf der Suche ist …« Was war denn das für ein idiotischer Satz? Nie und nimmer hatte sie den geschrieben. Da musste sich irgendjemand in der R e daktion einen üblen Scherz mit ihr erlaubt haben. Ein Hacker oder ein Neider, der ihr den Artikel missgön n te. Immer schneller huschten ihre Augen über die Ze i len.
»Nachdem eine tönerne Figur aus dem 12. Jah r hundert weit unter Wert den Besitzer gewechselt hatte, konnte ein antikes Gefäß keinen Liebhaber finden. Dabei ist es doch gerade die Liebe zum L e ben, die die Seele davor bewahrt, ganz im Strom der Zeit zu ve r schwinden, auf dass sich ein Wirt findet, dem sie i n newohnen kann.
Eine antike tönerne Wasserflasche hingegen kon n te …«
Sandra nahm ihre Brille ab, blinzelte, setzte sie wi e der auf und las auch diesen Satz noch einmal. Martina hatte recht. Der Text wimmelte nur so von zusa m menhanglos eingeschobenen Sätzen über Se e len und deren Wanderung durch die endlosen Weiten des U niversums. »Das stammt nicht von mir«, murmelte sie, während sie mit fliegenden Fingern den Ordner auf ihrem Laptop nach dem Quelltext durchforstete, um ihn mit dem Inhalt der Mail zu vergleichen.
»… Dabei ist es doch gerade die Liebe zum L e ben, die die Seele davor bewahrt, ganz im Strom der Zeit zu verschwinden, auf dass sich ein Wirt findet, dem sie innewohnen kann …«
Fassungslos starrte Sandra auf den Bildschirm. Quelltext und Mailinhalt stimmten haargenau übe r ein. Wie war das möglich? Kein einziger dieser ve r rückten Sätze stammte von ihr, dessen war sie sich ganz sicher. Konnte es sein, dass der
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