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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Aideen schüttelte verwirrt den Kopf Sie glaubte sich dunkel daran zu erinnern, dass die Seh e rin nackt gewesen war. Jetzt aber trug sie wieder ihren Mantel. »Was … was ist geschehen?«, fragte sie matt.
    »Du warst fort.« Bethia verschloss die kleine To n flasche, die den scharfen Geruch verströmte, sorgfältig mit einem Stopfen und ließ sie in die T a sche ihres Mantels gleiten.
    »Was ist das?« Aideen litt noch immer unter den Nachwirkungen des beißenden Geruchs und schü t telte sich unwillkürlich, als sie nur daran dachte.
    »Ptanamalis.«
    Das Wort sagte Aideen nichts. »Es stinkt«, stellte sie fest.
    »Das soll es auch.« Bethia blieb ernst. »Es ist für j e ne gedacht, die den Weg zurück allein nicht fi n den. So wie du.« Sie reichte Aideen etwas Wasser und fragte: »Was hast du gesehen?«
    »Einen Wald im Sonnenschein, unglaublich schön.« Die Erinnerung brachte Aideen eine Ahnung des Wohlgefühls zurück, das sie inmitten der Bilder verspürt hatte. »Da waren Frauenstimmen und Ki n derlachen. Und dann …« Sie stockte. »Es wurde du n kel. Die Frauen schrien, die Kinder weinten, und ich hatte das Gefühl zu schweben.« Sie schaute Bethia an, und für einen Augenblick glaubte sie, Bestürzung in den Zügen der älteren Frau zu erke n nen. »War es eine Vision?«, fragte sie. »Wisst Ihr, was ich gesehen habe?«
    »Eine Vision? Nein, das war es nicht.« Die Seh e rin antwortete eine Spur zu schnell, um wirklich überze u gend zu klingen.
    Aideen bemerkte es nicht. »Was war es dann?«, fragte sie matt.
    »Sehnsüchte.« Bethia zog die Schultern in die H ö he, als wären die Bilder es nicht wert, lange da r über nachzudenken. »Wünsche? Wer weiß? Viele, die hier im Hochland leben, sehnen sich nach den Wäldern oder denken an die Familien, die sie einst verstoßen haben. Das ist nicht ungewöhnlich. Ve r mutlich hat der Duft der Kräuter diese Sehnsüchte auch in dir geweckt.«
    »Mag sein.« Aideen nickte und fuhr sich mit den Händen müde über die Augen. »Verzeiht, dass ich mich so ungeschickt angestellt habe.«
    Bethia schaute sie lange an. In ihrem Gesicht arbe i tete es.
    »Nicht du bist es, die um Vergebung bitten muss«, erklärte sie schließlich, hob die Hand, b e rührte Aideen sanft an der Wange und sagte: »Was dir widerfahren ist, ist allein meine Schuld. Du bist mir anvertraut worden. Ich trage die Verantwortung für dich, denn du bist noch viel zu unerfahren, um zu ermessen, we l che Folgen aus meinem Wirken e r wachsen können. Ich hätte dich warnen und dafür sorgen müssen, dass du dem Rauch nicht ausgesetzt bist.« Sie lächelte en t schuldigend. »Es tut mir leid«, sagte sie aufrichtig. »Aber ich war so viele Jahre allein. Du bist meine erste Novizin. Es gibt vieles, das auch ich erst noch lernen muss.« Die Offenheit der älteren Frau rührte Aideen und brachte sie ihr ein Stückchen näher. Für die Da u er eines Augenblicks gewährte Bethia ihr einen kostb a ren Blick hinter die sorgfältig gehütete Maske der U n nahbarkeit, die sie tagaus, tagein zur Schau trug, und sie spürte, dass sich dahinter eine empfindsame Person verbarg.
    Doch der Augenblick verstrich, und nur wenige Herzschläge später gab sich Bethia wieder so, wie sie von allen gesehen werden wollte. »Es ist schon spät«, stellte sie fest und fragte knapp: »Kannst du aufst e hen?«
    »Ich denke schon.« Schwankend kam Aideen auf die Beine. »Gut.« Bethia deutete zum Feuer hinüber. »Dann lösche das Feuer und räume die Sachen z u sammen. Wir gehen zurück.«

12
    »Sie hatte wahrlich ein erfülltes Leben.« Gor, der n e ben Hákon am Feuer saß, neigte den Kopf ein wenig zur Seite, damit er nicht so laut sprechen musste. Wie es ihre Pflicht war, hatten sich die Br ü der an Ulamas aufgebahrtem Leichnam eingefunden, um dort in di e ser und den beiden kommenden Nächten die Tote n wache zu halten. Sie waren nicht die Einzigen. Mehr als zwei Dutzend Männer, junge und alte, Sohnsöhne und Sohnsohnsöhne der Geschic h tenweberin, hatten sich zum Schutz gegen die näch t liche Kälte in Decken gehüllt und nahe der Traue r feuer niedergelassen, die man zu Ehren der Toten entzündet hatte. Wegen der anhaltenden Trockenheit waren sie kleiner als gewöh n lich; ganz verzichten wollten die Trauernden jedoch nicht auf sie.
    Drei Tage, so verlangte es der Brauch, mussten die Toten des Waldvolks auf einer Lichtung im Wald au f gebahrt werden. Bei Tag waren es die Frauen, die nicht von der Seite der

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