Königin der Schwerter
Unbehagen wuchs.
Bjarkar zog die Schultern hoch und machte eine entschuldigende Geste. Er wusste es nicht.
Sie blieben wachsam, konnten aber nirgends e i nen Hinweis auf mögliche Verfolger entdecken. Auch als sie um die Mittagszeit rasteten, blieb alles ruhig. Jolfur entspannte sich etwas. Als er zum Au f bruch drängte, suchte Bjarkar wieder seine Nähe. »Nun?«, fragte er.
»Nichts.« Jolfur seufzte. »Und bei dir?«
»Auch nichts.«
»Vielleicht haben wir uns getäuscht«, meinte Jo l fur in Anspielung auf das Gespräch am Morgen.
Bjarkar sah ihn an. Die ungeheure Dichte von Ha a ren und Bart verhinderte, dass Jolfur die Geda n ken oder Gefühle seines Freundes von dessen Gesicht abl e sen konnte.
Sie brachen auf und überquerten einen Ber g kamm, der von Osten nach Westen verlief. Ein Pfad, von Wanderern, Jägern und Rebellen geschaffen, schlä n gelte sich auf dem schmalen Grat dahin, wä h rend baumbestandene Schluchten zu beiden Seiten so steil abfielen, dass einem schwindelig werden konnte. Jolfur ging an der Spitze, während Bjarkar es wie selbstve r ständlich übernommen hatte, die Nachhut zu bilden. Sie waren übereingekommen, dass Bjarkar aufmer k sam zurückschauen würde, während Jolfur den Pfad vor sich im Auge behielt.
Langsam neigte sich indes der Nachmittag dem Ende zu. Die Gespräche der Männer verstummten, die Schatten wurden länger. Es wurde immer schwieriger, im Halbdunkel zwischen den Bäumen etwas zu erke n nen. Die kleine Rebellengruppe ließ den Kamm hinter sich und machte sich im schwi n denden Tageslicht an den Abstieg, in der Hoffnung, noch vor der Dunke l heit einen geeigneten Lagerplatz zu finden. Dies gesta l tete sich jedoch schwi e rig. Der Pfad wand sich schier endlos durch einen Hohlweg, den der Regen aus dem porösen Felsg e stein herausgewaschen hatte. Nirgends bot sich den Männern ein geschützter Platz zum Au s ruhen. So gingen sie weiter, erschöpft und hungrig, während sich die gewaltigen Tannen hoch über ihren Köpfen dem Abendrot entgegenreckten, das den Himmel in die Farben des Blutes tauchte.
Nebel senkte sich über den Wald, die Geräusche des Tages verstummten. Im schwindenden Licht wu r den die Bäume zu dunklen Riesen, zwischen denen sich huschende Gestalten zu bewegen schi e nen. Immer wieder glaubte Jolfur, Augenpaare in den Schatten aufblitzen zu sehen, doch der Eindruck verging so schnell, dass er ihn nie wirklich greifen konnte. Für eine Weile hoffte er, seine angespannten Sinne würden ihm einen Streich spielen, aber dann gab sich der Ve r folger zu erkennen.
Jolfur sah ihn als Erster. Mit einem Warnruf brac h te er die Gruppe augenblicklich zum Stehen und zog sein Schwert. Die Kreatur kauerte kaum zwanzig Schritte vor ihnen mitten auf dem Hohlweg. Ein ries i ger, pechschwarzer Wolf mit geiferndem Maul, dessen Augen im Dämmerlicht unheilvoll leuchteten.
»Was ist das?« Dem jungen Rekruten unmittelbar hinter Jolfur stand die Furcht ins Gesicht geschri e ben. Er starrte auf das riesige Tier, das ihnen den Weg ve r sperrte, während er mit zitternden Händen versuchte, sein Messer vom Gürtel zu lösen.
»Ein Schattenwolf!« Bjarkar hatte sich von hinten durch die Menge geschoben. Die Axt fest in der Hand, trat er neben Jolfur und fügte hinzu: »Einer der Das h ken.«
Die Worte machten jede Erklärung überflüssig. Alle kannten und fürchteten die Dashken, vor allem, wenn sie ihre wohl gefährlichste Gestalt annahmen. Scha t tenwölfe waren der Inbegriff des Todes. Nur sehr wenige hatten je eine Begegnung mit ihnen ü berlebt.
»Was nun?« Bjarkar ließ den Wolf nicht aus den Augen. »Sollen wir angreifen?«
»Nein.« Jolfur hatte noch nie einem der gefürcht e ten schwarzen Wölfe Auge in Auge gegenübergesta n den, spürte jedoch, dass ein Angriff nicht der richtige Weg war. Kein Schwert und keine Axt, so hieß es, könne den Elementarwesen etwas anhaben. Sie kon n ten nur verlieren.
»Warum nicht?« Trotz des Bartes und des schlec h ten Lichts sah Jolfur die grimmige En t schlossenheit in Bjarkars Blick.
»Weil es kein Wesen aus Fleisch und Blut ist.« Jo l fur spie auf den Boden. »Du wärst schneller tot, als ich deinen Namen rufen könnte.« Er sah Bjarkar von der Seite her an. »Und jetzt sage nicht, dass du die G e schichten über die Schattenwölfe erst dann glaubst, wenn du die Wahrheit am eigenen Leib spürst.«
Bjarkar antwortete nicht, denn in diesem Auge n blick fletschte der Wolf die Zähne und ließ ein dr o hendes
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