Königreich der süßen Versuchung
viele Hundert Meilen entfernt voneinander leben.“
„Das wäre in Ruthenia undenkbar!“
„Ich weiß“, gab sie leise zu. Eine Frau, die aus einem solchen Land kam, war als Königin von Ruthenia untragbar – hatte er das damit sagen wollen? „Aber sie haben ihre Arbeit, die ihnen wichtig ist, und Freunde dort, die sie nicht aufgeben wollen. Ganz bestimmt werden sie mich oft besuchen.“
„Ich kann gar nicht glauben, dass sie noch nie hier waren. Wie lange leben Sie schon in Ruthenia?“
„Drei Jahre. Aber der Flug ist teuer und …“ Wollte er etwa, dass sie ein schlechtes Gewissen bekam? „Waren Sie denn schon mal in den USA?“, stellte sie die Gegenfrage und lächelte strahlend, doch er schwieg.
Schmunzelnd schaute Jake vom anderen Ende des Tisches zu ihr herüber, was ihr sehr guttat. Er wirkte vollkommen entspannt und schien völlig in seinem Element. Was nicht weiter verwunderte, war er doch als künftiger König für dieses gesellschaftliche Leben erzogen worden.
Bei ihr war das ganz etwas anderes …
Als der Kaffee eingeschenkt wurde, betrachtete Jake seine schöne Braut zufrieden lächelnd. In dem grünen Seidenkleid, mit ihren strahlend blauen Augen und den dunklen Locken, die ihr in weichen Wellen auf die Schultern fielen, sah Andi einfach hinreißend aus. Ruthenias schöne Töchter konnten ihr nicht das Wasser reichen. Immer wieder hatte er ihnen versichert, dass es sich um eine reine Liebesheirat handele und er sie und ihre Familien damit nicht brüskieren wolle. Schließlich konnte er es sich nicht leisten, deren finanzielle Unterstützung zu verlieren, und bisher war ihm glücklicherweise noch kein Krieg erklärt worden.
Eine Liebesheirat – diese Formulierung hatte er jetzt schon ein paar Mal gebraucht, allerdings ohne dass Andi es mitbekommen hatte. Immerhin war das eine Lüge, mit der er sie nicht konfrontieren durfte, zumindest nicht, seit sie wieder fähig war, sich zu erinnern.
Liebe … Er wusste gar nicht, was das war. Während seine Eltern durch die ganze Welt gereist waren, war er von verschiedenen Nannys aufgezogen worden. Familienleben und innige Beziehungen hatte er nie kennengelernt. In seinem Leben hatten nur Pflicht und Verantwortung eine Rolle gespielt. Liebe gab es nur in Gedichten, nicht im wirklichen Leben. Und er wollte Andi nicht etwas versprechen, das er nicht halten konnte.
Er fühlte sich sehr zu ihr hingezogen, begehrte sie glühend und bewunderte sie wegen ihrer herausragenden Fähigkeiten. Das war doch auch schon eine ganze Menge. Viele Paare heirateten aus Liebe und ließen sich nach ein paar Jahren wieder scheiden. War es da nicht sehr viel besser, man heiratete aus vernünftigen Gründen? Andi schien beunruhigt zu sein, dass er sie nicht liebte und dass sie noch nicht einmal eng befreundet gewesen waren. In den folgenden zwei Tagen musste er sie unbedingt davon überzeugen, dass sie füreinander bestimmt waren. Und um das zu erreichen, musste er wieder mit ihr schlafen. Nicht nur, weil sie sich ihm dann ganz öffnen und hingeben würde, sondern auch, weil ihn allein der bloße Gedanke daran erregte und er eine Wärme im Herzen verspürte, die völlig neu für ihn war.
Viel zu lange dauerte es, bis die letzten Gäste gegangen waren. Während Jake an der Tür stand und sich von jedem verabschiedete, ließ er Andi nicht aus den Augen, die sich immer wieder umsah, als suche sie nach einem Fluchtweg. Abwesend küsste er Alia auf die Wange und ignorierte, dass sie ihm ermutigend die Hand auf den Arm legte. Ihrem Vater klopfte er freundschaftlich auf den Rücken und versicherte ihm, ihn bald wegen einer geschäftlichen Angelegenheit anzurufen. Auch das kam eher automatisch, denn immer wieder blickte er sich nach Andi um.
Wo war sie? Gerade noch hatte sie mit einem der Bediensteten gesprochen, jetzt war sie verschwunden. Sowie die Tür hinter dem letzten Gast zugefallen war, lief er die Treppe in den ersten Stock hinauf. Richtig, da war sie, hinten im Gang vor der Tür zu ihrer Suite. Vorsichtig schlich er sich an sie heran und schlang ihr von hinten die Arme um die Taille. „Endlich sind wir allein“, sagte er leise.
Sie war zusammengezuckt und sah ihn beinahe verschreckt an. „Ich bin müde, Jake.“
„Ich auch.“ Zärtlich zog er sie näher an sich heran. „Ich möchte in deinen Armen einschlafen.“
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.“ Sie schloss die Tür auf und trat ein. Jake folgte ihr, legte ihr die Hand auf die Schulter
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