Königreich der süßen Versuchung
Offenbar bist du davon überzeugt, genau zu wissen, wie ich denke und fühle.“
„Nach sechs Jahren kenne ich dich ziemlich gut.“
„Aber in diesen sechs Jahren waren wir nur Arbeitskollegen, schlimmer noch, Chef und Assistentin. Wir hatten eine rein berufliche Beziehung. Das ist doch etwas ganz anderes als eine Ehe.“
„Ehrlich gesagt ist mir der Unterschied nicht so ganz klar.“ Mit leicht hochgezogenen Augenbrauen schaute er auf sie hinunter.
Frustriert sah sie ihn an – und hätte ihn doch so gern auf den sinnlichen Mund geküsst. „Genau das ist das Problem. Es gibt einen riesengroßen Unterschied. Als deine Assistentin habe ich bestimmte Verhaltensregeln zu befolgen. Du erwartest zu Recht von mir, dass ich höflich bin, meine Gefühle nicht zeige und mich mit meiner Meinung zurückhalte, es sei denn, es hat unmittelbar mit der Arbeit zu tun. Wie kannst du also behaupten, du kennst mich? Vielleicht bin ich ganz anders, als du glaubst.“
„Du meinst also, die richtige Andi ist ganz anders als die, die ich kenne?“
„Ja.“ Sie stieß einen tiefen Seufzer aus. Wenn sie nur selbst wüsste, wer die richtige Andi war und was sie wollte. Hatte sie sich nicht jahrelang nach Jake gesehnt? „Ach, ich weiß auch nicht … Aber genau aus diesem Grund sollten wir nichts überstürzen. Es kann auch nicht in deinem Sinn sein, eine Frau zu heiraten, bei der du später feststellst, dass sie nicht das treue, hilfreiche Frauchen ist, das du dir vorgestellt hast.“
Er grinste. „Du irrst. Ich bin ganz scharf darauf, die ungezähmte Seite deiner Persönlichkeit zu entdecken.“
„Ich weiß gar nicht, ob ich die habe.“
„Oh, doch.“ Sein Lächeln wurde breiter. „Ich habe sie bereits gesehen.“
Bei der Erinnerung an die leidenschaftliche Nacht, die sie miteinander verbracht hatten, wurde ihr ganz heiß. Doch noch gab sie sich nicht geschlagen. „Ich kann immer noch nicht glauben, dass du unter Vorspiegelung falscher Tatsachen mit mir geschlafen hast.“
„Sie waren nicht falsch. Wir waren verlobt.“
Schnell verschränkte sie die Arme vor der Brust, aber er hatte sicher längst gesehen, wie sich ihre Brustspitzen unter dem dünnen Stoff abzeichneten. „So stimmt das nicht. Du hast mir keinen Heiratsantrag gemacht, soweit ich mich erinnern kann. Du bist einfach nur davon ausgegangen, dass ich Ja sage. Und das ist etwas ganz anderes.“
„Aber du warst doch glücklich darüber.“ Verständnislos blickte er sie an. „Ich war überzeugt, dass das ganz in deinem Sinne ist.“
So war es auch, leider. Wenn sie nur selbst wüsste, was sie wollte. Dass er hier so dicht vor ihr stand – dieser Mann, den sie liebte und dessen Körper sie glühend begehrte –, half ihr auch nicht gerade dabei, eine Entscheidung zu treffen. Jetzt nahm er auch noch ihre Hand und küsste sie, eine ritterliche Geste, die er sicher bewusst einsetzte.
Wie gut erinnerte sie noch, dass er ihre einzige Stütze gewesen war, als sie das Gedächtnis verloren hatte. Er war wie ein Fels in der Brandung gewesen, an dem sie sich hatte festhalten können, wenn sie nicht mehr gewusst hatte, wer und wo sie war. In den Augenblicken, in denen sie allein gewesen waren und sich ganz aufeinander hatten konzentrieren können, war sie glücklich gewesen.
Würde es diese Gelegenheiten wieder geben?
„Vielleicht sollten wir außerhalb des Palasts und seinen Pflichten mal ein bisschen Zeit miteinander verbringen“, schlug sie vor. Wenn sie aus der üblichen Umgebung herauskamen, hatten sie vielleicht die Möglichkeit, sich besser kennenzulernen. Zwar hatte Jake kaum Freizeit, aber wenn er es wirklich wollte, würde er schon einen Weg finden. Als er ihr zärtlich die Hand streichelte, wäre Andi ihm am liebsten in die Arme gesunken. Stattdessen trat sie einen Schritt zurück. „Gibt es irgendwo von hier etwas, das du immer schon mal sehen wolltest?“
„Ja …“ Er blickte aus dem Fenster. „Die Berge. Ich wollte schon immer mal da raufsteigen und die Stadt und die Palastanlage von oben betrachten. Aber bisher hatte ich nie die Zeit dafür.“
„Und jetzt erst recht nicht.“ Sie seufzte leise. „Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass du dir so kurz vor den Feiern zum Unabhängigkeitstag freinehmen kannst.“ Daran hätte sie gleich denken sollen.
„Dann müssen wir uns eben einfach die Zeit nehmen“, entschied er.
Verblüfft sah sie ihn an. War er wirklich bereit, um ihretwillen wichtige Vorbereitungen anderen zu
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