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Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition)

Titel: Königsblau - Mord nach jeder Fasson: Preußen Krimi (anno 1740) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Wolf
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menschliche Untat wie der eigentliche Höhepunkt des Abends. Er konnte sich kaum darüber beruhigen. Genau dieser Grundkonflikt war es, der seinen jugendlichen Freund Rousseau, aus dem mit Sicherheit einmal ein großer Denker würde, ein Revolutionär, unablässig beschäftigte. Er würde ihm bei nächster Gelegenheit von diesem Abend als einer höchst realen Komödie berichten. Das Aufeinanderprallen von höfischem Zeremoniell und brachialer Naturgewalt – welch ein Thema für einen unruhigen Geist.
    »Eine menschliche Pointe, die das raue Leben schrieb.«
    Als Langustier und Jordan Anstalten machten, den Park zu verlassen, wurden sie von lauten Rufen zurückgehalten. Schreckensbleich lief ihnen ein Lakai entgegen, der kurz zuvor noch damit beschäftigt war, die letzten flackernden Kerzen in den Laubengängen und Tempeln zu löschen, um einem Brand vorzubeugen. Er zog beide mit sich zu einer der weinlaubumkränzten Hütten und leuchtete mit seiner Lampe hinein. Was sie sahen, ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren: An einem der Dachbalken hing, von einem seidenen Halstuch stranguliert, eine der Hofdamen. Eine sorglos hier lehnende Leiter, für die Unglückliche bei ihrer schrecklichen Handlung sehr nützlich, lag flach am Boden. Die mit einem Aufschrei hereinstürzende Frau von Marquard, erkannte die Tote trotz des überaus verzerrten Gesichtes sogleich als ihre Freundin Wilhelmine von Hammerstein.
    »So sehen Sie, meine Damen«, sagte der Marquis von Germain, gänzlich berauscht von den immer schöneren Schrecknissen dieser Nacht, »durch diese Selbsttötung meine Theorie auf höchst unvorhergesehene Weise bestätigt. Wer hätte solche Krisis bei jenem taubenblauenFräulein erwartet? Als ich vorhin beiläufig mit ihr sprach und sie meinem Vortrage zuhörte, schien ihr Gemüt wohltemperiert, ihr Geist von strenger Schönheit, durch nichts zu erschüttern. Meine Augen erbauten sich an ihrer Jugend, der vornehmen Blässe ihrer Erscheinung. Mag sein, dass ein unbedachtsam gesprochenes Wort, eine stilistische Entgleisung, die sie sich nicht verzieh, sie außer sich setzte – wie den weltberühmten Flötisten Traversini ein falscher Ton, als er vor dem König von Frankreich spielte. Er schied daraufhin gleichfalls aus diesem elenden Erdendasein. Ach! …«
    Er leerte seine Champagnerflöte.
    »Blickten wir zufällig in eine beliebige Seele hinein, Mesdames – es täten sich Abgründe auf. Garstige Höllenschlünde!«

X
    Die ›Stechbahn‹ war nach einem Turnierplatz aus der Zeit des Kurfürsten Joachims II. benannt. Wegen des guten Besuchs der Ringelstechen, bei denen stets fremde Edelleute zugegen gewesen waren, um sich an den Schaukämpfen zu ergötzen, hatten dort schon seit alters her zahlreiche Krämer in kleinen hölzernen Buden ihre Waren feilgeboten. Auf Befehl Friedrichs I. war an dieser Stelle ein langgestrecktes, dreigeschossiges, mit ionischen Wandpfeilern verziertes Haus erbaut worden, dessen Parterre hinter einer offenen Bogenlaube mehrere Lebensmittelgeschäfte, zwei Cafés sowie seit neuestem das königliche ›Lotterie-Comptoir‹ beherbergte. Vor den Arkaden zog sich eine Reihe kleiner hölzerner Pfosten über das Straßenpflaster des Schlossplatzes zur alten Domkirche hin und markierte das Ende der Kellerräume, damit die Mietkutscher, die hier tagsüber nach Fahrgästen ausspähten, mit ihren schweren Karossen nicht einbrachen.
    Alexander Frommery durfte sich rühmen, die erste und bis dato einzige staatlich geduldete und geschützte Lotterie Berlins zu betreiben, daher überschwänglich ›Die Große Berlinische Lotterie‹ genannt, was ihm einen ungeheuren Zulauf seitens der spielfreudigen Bevölkerung und horrende Bareinnahmen bescherte. 20000 Lose versprachen dem notorisch in Geldnöten befindlichen König reichen Gewinn – wiewohl er kein unbeträchtliches Risiko einging, da er für den Fall hoher Gewinnauszahlungen mit seiner eigenen Einlage von 100 000 Talern gerade stand. Die Möglichkeit hoher Gewinne war Voraussetzung für die Attraktivität des Spiels. Das bei der ersten Ziehung ausgespielte Haus des Husarenleutnants von Gröben in der Leipziger Straße war nur ein zusätzlichesSahnehäubchen auf der Gewinnsumme gewesen, denn Häuser waren auf dem Markt rein gar nichts wert.
    Als die beiden königlichen Kommissare unter der Stechbahn ankamen – trotz der Kühle erhitzt vom Fest und der Eile ihres Aufbruchs –, trafen sie auf eine beachtliche Menschenmenge, die fast wie eine

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