Königsfreunde (German Edition)
Ohr.
Traurig und einsam. Kein schlechter Junge. Widerstand.
Robin senkte den Kopf. Seine Augen brannten und er wollte nicht, dass das Bauernmädchen sah, was mit ihm los war.
Der Wagen hielt wieder an. Jakob sprang herab und ging um das Gefährt herum. Robin verharrte in seiner Position. Er würde nicht vom Wagen steigen, auch wenn sie ihn dazu aufforderten.
»Robin, was ist? Wir müssen abladen. Komm!«, sagte das Mädchen, kletterte über die Waren, die sie transportiert hatten und hüpfte dann auf die Straße.
»Clara, geh schon mal unseren Marktstand bezahlen. Ich möchte noch mit Robin reden«, sagte Nesa. Clara murrte etwas, aber dann entfernte sie sich doch. Nesa setzte sich an seine Seite und Robin hielt den Kopf gesenkt.
»Was war denn so schlimm für dich?«, fragte sie ihn leise. »Warum weinst du?«
»Ich weine nicht!«, gab Robin heftig zurück.
Nesa legte ihren Arm um ihn und zog ihn an sich. Dann küsste sie seine Schläfe.
»Ich sehe genau, wenn mein Kind traurig ist«, sagte sie.
»Ich bin nicht ...« Robin musste schlucken, weil ihm jetzt die Tränen in die Augen traten.
»Was bist du nicht?«, fragte Nesa und zog ein Tuch aus ihrer Schürze, das sie ihm hinhielt.
»Ich weiß nicht.« Robin atmete zitternd ein. »Ich brauche das nicht.«
»Das Tuch?«
»Ja.«
Nesa hielt ihn immer noch und streichelte seinen Arm.
»Weißt du noch, was ich zu dir gesagt habe?«, fragte sie. »Wenn du alles kannst, was wir können, dann zeig uns das. Für mich bist du jetzt mein Sohn. Du gehörst zur Familie. Natürlich habe ich dich nicht geboren, aber wenn ich mich verhalten kann wie eine Mutter, kannst du dich dann auch wie ein Sohn verhalten?«
Robin schwieg. Er beobachtete Jakob, der die Waren ablud und wartete, bis er sich mit einer Kiste entfernt hatte.
»Ich weiß nicht«, flüsterte er.
»Wir könnten es heimlich unter uns ausmachen«, flüsterte sie zurück. »Clara muss nichts davon erfahren. Wir versuchen es beide und dann siehst du, wie es dir damit geht. Ich würde es gerne ausprobieren. Was ist mit dir?«
»Ich kann das nicht. Mir ist das alles ... zuviel.« Robin fuhr sich über die Augen.
»Wir können ja langsam beginnen. Wir versuchen es nur heute. Wenn es dir nicht gefällt, suchen wir uns eine andere Lösung. Aber jetzt müssen wir etwas Geld verdienen und Sachen verkaufen. Ich könnte Hilfe brauchen.«
»Ich verkaufe doch keine Waren! Ich bin doch kein Straßenhändler«, sagte Robin.
»Du könntest aber mein Sohn sein, der mir beim Verkaufen hilft«, sagte Nesa. »Bitte, tu es für mich.«
Robin dachte noch kurz darüber nach. Dass er um etwas gebeten wurde, das konnte ihm auch als König passieren. Es war kein Befehl.
»Gut«, sagte er. »Ich versuche es.«
»Wie schön!«, sagte Nesa erfreut. Sie drückte ihn noch mal an sich und Robin fand das nicht unangenehm. Im Grunde war sie ja sehr freundlich zu ihm. Und sie tat das nicht nur aus Höflichkeit und Respekt. Sie schien ihn wirklich zu mögen. Robin überlegte, ob es daran lag, dass er ein Junge war und ihre Tochter oft so ungezogen reagierte. Er musste zugeben, dass es ihm gut gefallen hatte, als Nesa das Mädchen fortgeschickt hatte, um mit ihm allein zu reden.
Er stand auf und kletterte von dem Wagen. Dann hob er eine mit Stroh ausgepolsterte Kiste voller Hühnereier von der Ladefläche und trug sie hinüber zu dem Tisch, hinter dem Clara stand und kleine Päckchen ordentlich aufstellte. Zum ersten Mal hatte er einen Gebrauchsgegenstand für jemand anderen getragen. Er hatte das getan, was sonst nur Dienstboten erledigten. Robin schaute sich um. Da waren noch mehr Wagen mit Dingen darauf und andere taten dasselbe wie er. Sie luden ihr Hab und Gut ab, um es auf Tischen aufzubauen. Kisten und Stoffbeutel, Krüge und Schalen, eingewickelte Päckchen und Stoffrollen wurden von vielen Händen getragen, geordnet und zum Verkauf aufgestellt. Robin hatte schon Märkte gesehen, von Weitem, im Vorüberfahren. Aber er hatte noch nie mitten unter den Menschen gestanden. Hier taten alle dasselbe und sie sahen ihn als einen von ihnen an. Niemand ahnte, wer er war; deshalb konnte auch niemand sich darüber Gedanken machen, ob er nicht standesgemäße Arbeiten verrichtete. Gestern, bei seinem Holzstapel, da war er unbeobachtet gewesen. Hier war er unerkannt. Und deshalb konnte er auch seine Königswürde nicht verlieren und Nesa zur Hand gehen. Fast hätte Robin gelacht, so absurd war die Vorstellung, dass er in schlichter
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