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Kohärenz 01 - Black*Out

Titel: Kohärenz 01 - Black*Out Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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an!«
    Auf der Innenseite der Schranktür, die sie gerade wieder hatte schließen wollen, hing eine sorgsam mit Klebstreifen befestigte Prospekthülle, in der ein Blatt Papier steckte. Es war ein Kontoauszug. Dem Datum nach etwas mehr als vier Jahre alt, prangte der Briefkopf der Bank of Idaho darauf, und der damalige Kontostand – den jemand mit drei dicken Fragezeichen und ebenso vielen Ausrufungszeichen versehen hatte – belief sich auf $ 1.000.008.207,56.
    »So ein Zufall, was?« Serenity grinste.
    Christopher zuckte mit den Achseln. Es berührte ihn auch seltsam, aber er sagte sich, dass der eigentliche Zufall eher darin lag, dass ein Bewohner dieses Hauses – dem Ausdruck zufolge eine Familie Wright – überhaupt an einen Kontoauszug gekommen war, ehe die Banken seinerzeit alles abgeschaltet und die Schotten dicht gemacht hatten. Dass man ein solches Dokument nicht einfach wegwarf, war dagegen nachvollziehbar.
    »Ich wüsste immer noch gern, warum du das damals eigentlich gemacht hast mit diesem Milliardenvirus«, gab Serenity zu. »Und sag jetzt bitte nicht wieder, dass das eine lange Geschichte ist!«
    »Kurz ist sie jedenfalls nicht«, erwiderte Christopher. In seiner Erinnerung kam es ihm immer noch vor, als sei alles erst gestern passiert.
    Die Sonne hatte geschienen, dicke Hummeln hatten sich in den Geranien vor den Fenstern von Großmutters Küche verlustiert, und Christopher hatte ein interessantes Buch über Dateiformate gelesen, das er in der Universitätsbücherei gefunden hatte. Es war ein schöner Nachmittag im Frühling gewesen, bis zu dem Moment, in dem seine Mutter ungewöhnlich früh aus dem Büro heimgekommen war.
    Genauer gesagt zu einer Uhrzeit, zu der die Börse in New York noch geöffnet war. Da sich der Tagesablauf im Hause Kidd seit Jahren nach den Handelszeiten der wichtigsten Börsenplätze weltweit richtete, war das geradezu alarmierend.
    Christopher erinnerte sich auch noch daran, wie seine Mutter ausgesehen hatte: wie ein Gespenst. Kreidebleich hatte sie da am Küchentisch gesessen, in einem der dunkelblauen Kostüme, die sie in der Bank trug. Sie hielt die Hände flach auf die Tischplatte gepresst, um zu verbergen, dass sie zitterten.
    »Ich hab uns ruiniert«, hatte sie geflüstert. »Ich hab uns alle ruiniert.«
    »Dieser Milliardenvirus, wie du ihn nennst«, sagte Christopher, »war damals der einzige Weg, meiner Mutter zu helfen.«

 
    27 | Es tat weh, an seine Eltern zu denken. Er versuchte, es so selten wie möglich zu tun. Die Erinnerung daran, wie er entkommen war – und wie knapp –, erfüllte ihn immer noch mit Grauen. Und die Erinnerung an die Zeit davor, vor allem, was passiert war, erfüllte ihn mit Trauer.
    Christopher hätte das Thema am liebsten gemieden. Aber es war besser, jetzt mit der Geschichte seines Bankenvirus herauszurücken.
    Solange er sie damit beschäftigte, konnten Kyle und Serenity ihn wenigstens nicht über die Upgrader ausfragen.
    Im Auto war er den Fragen, die Kyle ihm unterwegs dazu gestellt hatte, ausgewichen. Aber lange würden die Geschwister sich vermutlich nicht mehr hinhalten lassen.
    »Ich weiß nicht, ob ihr euch daran erinnert«, begann Christopher, »aber einige Jahre vorher gab es eine Bankenkrise …«
    »Eine Bankenkrise?«, fragte Kyle, während er die gefrorenen Putenschnitzel aus ihrer Verpackung schälte. »Irgendwie hat man das Gefühl, die gibt’s ständig.«
    »Kann sein. Aber die hatte jedenfalls zur Folge, dass ein paar Regeln geändert werden mussten und entsprechend auch die Anstellungsverträge der meisten Leute, die in Banken im Investmentbereich arbeiteten«, fuhr Christopher fort.
    Kyle stellte einen Teller mit den Schnitzeln für ein paar Sekunden in die Mikrowelle. »Leute wie deine Mutter?«
    »Ja. Die neuen Bestimmungen sahen vor, dass man bei allen Transaktionen für die Bank zu einem bestimmten Prozentsatz mit eigenem Vermögen haften musste. Das sollte das Verantwortungsgefühl stärken oder so was in der Art.«
    »Aua«, sagte Kyle. Die Mikrowelle öffnete sich mit einem Ping. Er zog den Teller heraus, betastete das Fleisch und nickte zufrieden. »Es gibt Leute, die sich auf so was einlassen?«
    »Den meisten bleibt nichts anderes übrig.«
    »Wird man dann wenigstens auch an den Gewinnen beteiligt?«
    »Das wurde man schon immer. Das Vergütungssystem der Banken beruht zum Großteil auf dem Bonus-System.«
    Kyle schaltete den Elektrogrill ein und stellte einen Topf mit dem Gemüse auf den Herd.

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