Kohärenz 03 - Time*Out
behaupten, dass Cloud von der Kohärenz übernommen worden ist. So hört sich ihre Musik an.«
Zu Serenitys Überraschung war es Christopher, der sich daraufhin zu Wort meldete. »Wieso denkst du, dass das technisch unmöglich ist?«
Madonna sah ihn an, auf eine Weise, als nehme sie ihn jetzt erst überhaupt zur Kenntnis. Immerhin, dachte Serenity. Sie hat Christopher gar nicht beachtet.
Aber das war ja nicht die Frage. Die Frage war, ob Christopher sie beachtete.
Und das tat er. Und wie!
»Du hast mir das doch erklärt«, sagte Madonna. »Dass es in der Kohärenz keine Musik mehr gibt.«
Christopher wiegte den Kopf. Sie kannte diese Geste bei ihm. Sie wirkte immer, als wolle er damit ausdrücken, dass sein Gegenüber gerade etwas unsagbar Dummes von sich gegeben hatte, wobei es die Höflichkeit gebot, ihm das nicht direkt ins Gesicht zu sagen.
»Stimmt«, erwiderte Christopher, »aber das heißt genau genommen nur, dass die Kohärenz für sich selber keine Musik macht, weil ihr das nichts bedeutet. Es heißt nicht, dass sie nicht welche produzieren könnte, wenn sie wollte. Sie kann alles, was jedes einzelne Mitglied der Kohärenz kann, das darf man nicht vergessen. Die Kohärenz kann auf den Sachverstand all ihrer Mitglieder zugreifen, und so intelligent, wie sie ist, kann sie auch künstlerischen Gehalt imitieren. Das heißt, sie kann etwas hervorbringen, was den meisten Menschen wie Kunst vorkommen wird, weil es die passenden Signale aussendet und die Erwartungen auf die passende Weise bedient. Es ist nur kein Ausdruck einer Persönlichkeit, weil alle Persönlichkeiten in der Kohärenz aufgegangen sind.«
Madonna nickte. »Es wäre also eine Art Imitation von Kunst?«
»Ja. Technisch perfekt, aber eben nur ein maßgeschneidertes Produkt.«
»Genau.« Madonna schien begeistert, dass Christopher ihr beipflichtete, und nicht zu bemerken, dass er es im Grunde nicht getan hatte. Er hatte nur ein Missverständnis korrigiert.
Kyle räusperte sich. »Also, Leute, denkt doch mal nach. Wozu sollte die Kohärenz eine Sängerin übernehmen?«
Madonna sah ihn hilflos an. »Keine Ahnung«, gestand sie. »War nur so ein Gefühl.« Sie zog den Stecker von ihrem MP3-Player. »Kann auch einfach nur an ihrem neuen Produzenten liegen.« Mit einem Grinsen fügte sie hinzu: »Scheint, als sei Zack nicht so leicht zu ersetzen. Und den hab jetzt ich!«
Das gab allgemeines Gelächter, selbst unter den Hide-Out-Leuten. In diesen paar Minuten schien die gesamte Besatzung von Hide-Out zu Fans von Madonna Two Eagles mutiert zu sein.
Später, als Madonna gerade anderweitig in ein Gespräch vertieft war und Christopher sich verblüffend lebhaft mit George Angry Snake unterhielt, nahm Kyle seine Schwester beiseite. »Vielleicht hat das alles weder mit der Kohärenz noch mit dem neuen Produzenten zu tun«, raunte er ihr zu. »Ist dir das aufgefallen? Sie hat erwähnt, dass Cloud auf Platz eins steht. Aber ich hab mir gestern an einem Zeitschriftenstand die Billboard Charts angeschaut. Dass ihre eigene Version auf Platz dreiundneunzig in die Charts eingestiegen ist – das hat sie unter den Tisch fallen lassen.«
Serenity kniff die Augen zusammen. »Du meinst, Madonna ist bloß eifersüchtig?«
Darauf antwortete Kyle nicht, sondern grinste nur vielsagend.
Aufklärung
24
Einen Tag, nachdem Madonna und ihr Bruder wieder abgereist waren, und eine Woche nach der Einführung des Lifehook lud Jeremiah Jones alle Bewohner Hide-Outs in die Werkstatt ein. Deren hinterer Teil, der bei ihrer Ankunft leer gestanden hatte, war inzwischen so etwas wie ein Lagezentrum geworden. Die Wände ringsum hingen voll. Ausschnitte aus Zeitungen, ausgedruckte Internet-Seiten, Bilder und handschriftliche Notizen bedeckten sie.
»Also, der Stand der Dinge«, begann Jones, als alle versammelt waren. »Allein in den USA sind in der ersten Woche über eine Million Lifehooks implantiert worden. Die Aktion läuft auch in vielen anderen Ländern – im Grunde in allen Ländern mit ausgebautem Mobilfunknetz –, aber von dort haben wir noch keine Zahlen. Wir müssen davon ausgehen, dass der Lifehook überall ähnlich gut ankommt. Von England wissen wir es definitiv; es gibt Fotos von langen Schlangen am Donnerstagmorgen.«
Er ging die Wände auf und ab, deutete mal auf eine Liste, mal auf ein Foto. Christopher konnte sich plötzlich gut vorstellen, wie Serenitys Vater gewirkt haben musste, als er noch Professor an der Universität gewesen war.
»Lifehook
Weitere Kostenlose Bücher