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Kohl des Zorns

Kohl des Zorns

Titel: Kohl des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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Die Folie lag eng um eine unförmige Masse aus Falten und Beulen. Die Augen waren von einem komischen Apparat verdeckt, der offensichtlich als Sehhilfe diente. Künstliche Lider öffneten und schlossen sich in regelmäßigen Abständen. Der Mund des Fremden war unter einer gewaltigen formlosen Nase kaum zu sehen.
    »Nun beruhigen Sie sich wieder, Professor«, flüsterte die Gestalt heiser. »Bitte entschuldigen Sie mein Eindringen und meine Erscheinung. Ich bin kein angenehmer Anblick, das ist mir durchaus bewußt. Dürfte ich mich vielleicht setzen? Mein Körper verfügt nur über geringe Kräfte.«
    Professor Slocombe nickte. »Bitte sehr. Darf ich Ihnen etwas anbieten?«
    »Nein, nein! Bitte machen Sie sich keine Mühe! Ich habe gelernt, mit … mit meiner Gebrechlichkeit zu leben.« Der Eindringling bewegte sich schwerfällig. Die Gelenke in seinen Beinen bogen sich irgendwie an den falschen Stellen, tief unten, an den Knöcheln, und hoch oben an den mißgestalteten Oberschenkeln. Was immer sich unter diesem dunklen Anzug verbarg, es war irrsinnig mißgestaltet und hatte jegliche menschliche Form verloren.
    Professor Slocombe zuckte zusammen, als der Krüppel sich in einen Kaminsessel sinken ließ; jede einzelne Bewegung schien ihm unerträgliche Schmerzen zu bereiten.
    »Sie leiden offensichtlich an starken Beschwerden«, sagte der Professor. »Darf ich fragen, an welcher Krankheit Sie laborieren? Ich rühme mich einiger Kunstfertigkeit auf medizinischem Gebiet.«
    »Nein, nein.« Der Fremde hob eine behandschuhte Hand. »Sie finden meine Krankheit in keiner Encyclopedia pharmacia und auch in keinem Ihrer außergewöhnlichen Bücher.« Er machte eine umfassende Bewegung in Richtung der umfangreichen Sammlung thaumaturgischer Werke, die die Regale des Professors füllte. »Ich bin Wissenschaftler und ein Opfer meiner eigenen Experimente.«
    Professor Slocombe hob eine Augenbraue; der Invalide sah ganz wie jemand aus, der sich mit okkulten Kräften befaßt hatte und Opfer des Gesetzes der dreifachen Wiederkehr geworden war, das besagte, daß eine böse Beschwörung mit dreifacher Kraft auf den Magier zurückfiel. »Das ist nicht der Fall, wie ich Ihnen versichern kann«, flüsterte der Eindringling, indem er die Gedanken seines unfreiwilligen Gastgebers las.
    Professor Slocombe senkte seinen mentalen Schild und beobachtete fasziniert, wie ein Schauer den Körper des Fremden durchlief.
    »Wie Sie inzwischen zweifellos bemerkt haben, hat meine Gebrechlichkeit auch ihre guten Seiten. Man sagt, daß ein verlorener Sinn durch eine Schärfung der restlichen kompensiert wird. Ich für meinen Teil habe fast sämtliche meiner Sinne eingebüßt. Ich besitze heute andere, weitaus mächtigere Sinne, die den meisten Menschen völlig unbegreiflich wären.«
    »Sie sind ein äußerst ungewöhnlicher Mann, um noch das geringste zu sagen.«
    »Das gleiche könnte ich über Sie sagen, Professor Slocombe.«
    Der Professor legte die Fingerspitzen in einer merkwürdigen Figur gegeneinander. »Und nun, nachdem wir genug Höflichkeiten ausgetauscht haben, schlage ich vor, daß Sie mir den Zweck Ihres Besuchs nennen.«
    »Recht so, Professor. Doch ich vermute, daß Sie im Verlauf unserer kurzfristigen Bekanntschaft bereits erraten haben, wer ich bin und aus welchem Grund ich zu Ihnen gekommen bin.«
    »Ich vermute, Sie sind der geheimnisvolle Sponsor der Olympischen Spiele, der Konstrukteur des Stadions und der Erfinder des unglaublichen Gravitits.«
    »Entdecke ich da so etwas wie Verdruß in Ihrer Betonung des Wortes ›Gravitit‹?«
    »Wer sind Sie, und was wollen Sie?«
    »Mein Name spielt keine Rolle. Aus wirtschaftlichen Gründen nennt man mich Kaleton. Verschwenden Sie nicht Ihre Zeit, indem Sie diesen Namen zu interpretieren versuchen, er wurde rein zufällig ausgewählt. Ich bin auf einer, nennen wir es diplomatischen Mission zu Ihnen gekommen, um über eine friedliche Koexistenz zu verhandeln.«
    »›Wie ein Dieb in der Nacht‹«, zitierte Professor Slocombe die Heilige Schrift.
    Kaleton ignorierte seine Bemerkung und sagte einfach: »Ich sterbe.«
    »Sie suchen meine Hilfe?«
    »Ganz im Gegenteil, Professor. Ich möchte, daß Sie mir nicht in die Quere kommen.«
    »Beim Sterben?«
    Kaletons Mund formte ein vollendetes »O«, und ein Schwall übler Luft entwich daraus.
    Professor Slocombe, der seinen Geruchssinn gleich bei Kaletons Eintreten deaktiviert hatte, lehnte sich aus Furcht vor ansteckenden Krankheiten in seinem

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